Hans Thoma.
345
härtete. Sehen wir das Bild »An der Quelle«.
Ein Jüngling ist an einen Bach gegangen,
um Wasser zu schöpfen. Er beugt sich
nieder, die Hand taucht hinein in den
blitzenden Spiegel des erfrischenden Nass,
da — als wäre das Horn Hüon's erschallt
- ist er erstarrt. Die Erscheinung bleibt.
Sie bleibt so lange du davor stehst, stunden-
lang. Stundenlang siehst du den gekrümmten
Rücken, den aufgestützten Arm, die Hand,
die in das Wasser greift, die Kringel, die
es bildet. Aus dem »Werden« wurde ein
»Sein.« Das zeitliche Nacheinander ist auf-
gehoben. Die Erscheinung ruht. Das ewige
wandellose Gesetz hat sie berührt, das ewige,
wandellose Gesetz einer grossen Kunst.
Dem »Es wird« ruft der Künstler entgegen
ein »Es ist«. Das ist das Grosse, das Er-
habene, ja das Göttliche an dem Künstler,
dass er das Zeitliche aufzuheben vermag,
dass er uns den Widerspruch nicht empfinden
lässt, der in seinem Bilde und den Gesetzen
dieser Welt liegt, dass er gleichsam Ver-
gangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges
zu vereinigen imstande ist. Ruhe in der
Bewegung.
Die grosse griechische Kunst hat unter
diesem Gesetz gearbeitet. Sie kannte keine
Moment - Aufnahmen. In den Figuren
Thoma's ist dieses Gesetz wieder aufgelebt.
Gemälde: Ein Meer-Wunder.
%■ X. 3,
HANS THOMA—FRANKFURT A. M.
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härtete. Sehen wir das Bild »An der Quelle«.
Ein Jüngling ist an einen Bach gegangen,
um Wasser zu schöpfen. Er beugt sich
nieder, die Hand taucht hinein in den
blitzenden Spiegel des erfrischenden Nass,
da — als wäre das Horn Hüon's erschallt
- ist er erstarrt. Die Erscheinung bleibt.
Sie bleibt so lange du davor stehst, stunden-
lang. Stundenlang siehst du den gekrümmten
Rücken, den aufgestützten Arm, die Hand,
die in das Wasser greift, die Kringel, die
es bildet. Aus dem »Werden« wurde ein
»Sein.« Das zeitliche Nacheinander ist auf-
gehoben. Die Erscheinung ruht. Das ewige
wandellose Gesetz hat sie berührt, das ewige,
wandellose Gesetz einer grossen Kunst.
Dem »Es wird« ruft der Künstler entgegen
ein »Es ist«. Das ist das Grosse, das Er-
habene, ja das Göttliche an dem Künstler,
dass er das Zeitliche aufzuheben vermag,
dass er uns den Widerspruch nicht empfinden
lässt, der in seinem Bilde und den Gesetzen
dieser Welt liegt, dass er gleichsam Ver-
gangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges
zu vereinigen imstande ist. Ruhe in der
Bewegung.
Die grosse griechische Kunst hat unter
diesem Gesetz gearbeitet. Sie kannte keine
Moment - Aufnahmen. In den Figuren
Thoma's ist dieses Gesetz wieder aufgelebt.
Gemälde: Ein Meer-Wunder.
%■ X. 3,
HANS THOMA—FRANKFURT A. M.