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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 2.1898

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Kühn, Paul: Das Leipziger Kupferstich-Kabinet und die Sammlung Klinger'scher Handzeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6385#0255

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Klinger'sehe Handzeichnungen.

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Salome vor Herodias. (Skizze.)

wie persönliche Erlebnisse. Ein tiefes Innen-
leben, das hervordrängt, kommt bereits
künstlerisch zu Worte.
Wie immer von der Natur ausgehend
und ihr mit tiefer Verehrung ergeben, er-
füllt Klinger alles mit dem starken Subjek-
tivismus seiner Person. Aber wer da meint,
dass Klinger in seiner Jugend ein launen-
hafter Phantast war, der barocken und krank-
haften Einfällen preisgegeben gewesen sei,
wird durch das Studium der Leipziger
Blätter wohl eines besseren belehrt werden.
Wenn er hier selbstredend noch nicht die
ganz auf Plastik ausgehende präzise Formen-
gebung seiner letzten reifen Werke besitzt,
so hat er doch von Anfang an ein festes
unbeirrbares Stilgefühl und schon die Fähig-
keit, selbst die persönlichsten Empfindungen
in ihrer Projektion als Kunstwerk für sich
existiren zu lassen. Beachten wir ausser
dem von Anfang an vorhandenen Klinger-
stil noch die einzelnen Stoffgebiete und
Gedankenkreise, auf denen er sich bethätigte,
so müssen wir wiederum das Organische
in der künstlerischen Entwickelung Klinger's
die vollständige Abwesenheit des Zufälligen,
so zufällig die Zeichnungen auch häufig
entstanden sein mögen, bewundern. All die
bunte Mannigfaltigkeit dieser Blätter findet
ihre Einheit in der Seele des Künstlers. Hier
sind es heitere und liebliche Eindrücke einer
flüchtigen Stunde, da sind es Empfindungen,
die wie ein tiefer Akkord des Künstlers
ganzes weiteres Schaffen begleiten oder
Vorstellungen mehr philosophischer Natur,

für die der junge Künstler
in der Zeichnung einen sym-
bolischen Ausdruck sucht
und zwar nicht als abstrakte
Allegorie, sondern als sinn-
lich-reale Anschauung. Die
starke Subjektivität des
Künstlers hat Klinger später
selbst als den hervor-
ragendsten Karakterzug der
Zeichnung hingestellt. (Vgl.
Malerei und Zeichnung
II. Aufl. Seite 32 f): »Was
der Zeichner darstellt, ist
seine Welt und seine An-
schauung, es sind seine persönlichen Be-
merkungen zu den Vorgängen um ihn und
in ihm, wegen deren ihm kein anderer
Zwang aufliegt, als sich künstlerisch mit
der Natur seiner Eindrücke und seinen
Fähigkeiten abzufinden.«
Schon in den frühesten Zeichnungen
macht sich eine ernste, philosophische, von
einem herben, männlichen Pessimismus ge-
tragene Lebensauffassung bemerkbar. Das
vanitas vanitatum klagt schon in diesen

PROF. MAX KLINGER—LEIPZIG.


Der Fliegenfänger.

KARL SEKENER—LEIPZIG.

98. XII. 2.
 
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