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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 2.1898

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Kühn, Paul: Das Leipziger Kupferstich-Kabinet und die Sammlung Klinger'scher Handzeichnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6385#0259

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Klinger'sehe Handzeichnungen.

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Sommer, Wandgemälde im Ilgen-Haus (Kaiserpalast) in Dresden.

OTTO FISCHER—DRESDEN.

auf seine herrlichen Männerköpfe und be-
rühmten Grotesken in den Uffizien zu Flo-
renz. Hier, bereits in diesen Jugendwerken,
spüren wir Geist vom Geiste dieses Grossen.
Hier haben wir eine in das Gebiet monu-
mentaler Karakteristik erhobene Natur, einen
Zusammenschluss, ein Einswerden von Ob-
jektivismus und Subjektivismus, von Hingabe
an die Sache und persönlichster Empfindung
wie es in Lionardo's Abendmahl seinen
höchsten Ausdruck gefunden hat. Ganz
besonders versteht sich schon der junge
Klinger darauf, das Erfülltsein von tiefen
Qualen, nagenden Seelenschmerz, wortlosen
Kummer in den Physiognomien und in
Geberden wiederzugeben, die so eigenartig
sind, dass man sie spezifisch Klingerisch
nennen muss; ein guter Beleg hierfür ist z. B.
das »Sterben der Erstgeburt in Egypten«.
Das Düstere, das Leidvolle verbindet sich mit
dem Mystischen, dem Dämonischen und Ver-
grübelten; man betrachte das Blatt »Hamlet«,
dem der Geist des Vaters am einsamen
Strande des dunkelschäumenden Meeres
erscheint oder den mit Passionsblumen um-
schlungenen Frauenkopf mit dem schmerz-
lichen Ausdruck der Augen und des halb-
geöffneten Mundes oder auch die Hand-
zeichnung zu der bekannten Radirung:
Phantasie und Künstlerkind. Auch in die
halkyonische Heiterkeit der Märchen- und
Phantasiebilder von zartester Lieblichkeit
mischt sich zuweilen der dunklere Ton des
Leids. Das gibt der Zeichnung einen um so
bestrickenderen Reiz, z. B. den beiden Frauen-
gestalten, die leise dahinsclireiten durch ein

exotisch-märchenhaftes Traumland. Welch'
köstliches Idyll ist die in Abbildung wieder-
gegebene einfache Zeichnung eines unter
einem blühenden Rosenstrauch lagernden
nackten Weibes, dem ein Kind gegenüber-
sitzt, das mit einem Pumalöwen kost. Es
erinnert an die in die »Radirten Skizzen«
aufgenommene Japanerin in der Hängematte.



Studie.

ROBERT STERL — DRESDEN.
 
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