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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 2.1898

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Schumann, Paul: Dresdener Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.6385#0261

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Dresdener Architektur.

439


Studie.

wilhelm claudius—dresden.

Barockstil in mächtiger Steigerung und
stolzem Reichthum uns entgegentritt. An
verschiedenen neuen Kirchen vermögen wir
die mittelalterlichen Stile in moderner Um-
bildung zu studiren; als ein Zeugniss mo-
dernen Geistes — nach Zweck und Mitteln
gemessen — darf der neue Hauptbahnhof
gelten, der vor kurzem eröffnet und dem
Gebrauche übergeben worden ist. Dies nur
einige Beispiele der reichen Mannigfaltigkeit,
die in Dresden auch jetzt noch auf dem
Gebiete der Architektur herrscht. Es muss
dabei wohl betont werden, dass für die Wahl
dieser Stile nicht immer die Architekten
verantwortlich zu machen sind, sondern dass
sie oft im direkten Auftrag der Bauherren
gerade einen bestimmten historischen Stil
wählen mussten.
Zwei Richtungen aber scheinen uns
besonders erfreulich und nacheifernder An-
erkennung würdig: die Neubelebung der
deutschen Renaissance und das Wieder-
anknüpfen an den Dresdener Barockstil. In
seiner bedeutsamen und Aufsehen erregenden
.Schrift »Moderne Architektur« hat der
Wiener Architekt Otto Wagner mit beson-
derem Nachdruck gefordert, dass die mo-
derne Baukunst, aus unserer Zeit geboren,
der Gegenwartswelt ihr eigenes Spiegelbild
vorstellen solle. Ein striktes »Wie sollen
wir bauen?« könne wohl nicht beantwortet

werden; unser Gefühl
müsse uns aber heute
schon sagen, dass die
antikisirende Horizon-
tallinie, die grösste Ein-
fachheit und ein ener-
gisches Vortreten von
Konstruktion und Ma-
terial bei der künftigen
fortgebildeten und neu
erstehendenKunstform
stark dominiren wer-
den; es sei dies durch
die moderne Technik
und durch die uns
zu Gebote stehenden
Mittel bedingt. Selbst-
verständlich aber müsse
der schönheitliche Aus-
druck, welchen die Baukunst den Bedürf-
nissen unserer Zeit geben werde, mit den
Anschauungen und der Erscheinung mo-
derner Menschen stimmen.
Unter diesen Forderungen dürfte die
Betonung der antikisirenden Horizontallinie
am wenig-
sten zum
Beifall an-
regen, denn
sie ent-
spricht am
wenigsten
deutschem
Wesen.
Ueber-
haupt ist
die Ver-
nachlässig-
ung des
nationalen
Elements
der
schwächste
Punkt in
Wagner's
Schrift,
wenn wir
im übrigen
ihr auch
die Folge- Studie. Wilhelm Claudius.
 
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