442
Paul Schumann:
Gedenk-Plakette. WALTHER WITTING—DRESDEN.
lebendig gegliederte Thurm mit Laterne und
Wetterfahne giebt dem Ganzen einen wirk-
samen schmuckreichen Abschluss. Der Raum
im Innern ist in musterhafter Weise bis aufs
kleinste ausgenützt; das erste Obergeschoss
nimmt in der ganzen Vorderfront ein einziger
grosser Saal ein. Die gesammten Schmuck-
formen des Inneren sind bis auf die Hut-
halter von den Architekten selbst im modernen
Stil entworfen und auch die Monumental-
malerei ist, wenn auch nicht in durchweg
gelungener Weise zum Schmuck des Haupt-
saales herangezogen.
Sind diese Bauten die Hauptvertreter
des erneuten Dresdner Barockstils, so finden
sich anderseits auch eine ganze Reihe von
Bauten, die mehr oder minder reich die
Bauweise der deutschen Renaissance auf-
weisen, damit aber in höchst erfreulicher Weise
echt deutsch volksthümliche Züge in das
architektonische Aussehen Dresdens einfügen.
Was ist denn aber deutsch volksthümlich
in der Baukunst? Deutsch ist nicht die
klassische Kühle und Ruhe der Griechen,
deutsch ist vielmehr reiches frisch pulsirendes
Leben, nicht die formale und regelmässige
Schönheit, sondern die innerliche Beseeltheit,
nicht eine in sich harmonische, reiche Schau-
seite, die keinen Schluss auf das für sich
bestehende Innere zulässt, sondern dass das
Aeussere in seiner Mannigfaltigkeit, ja Un-
regelmässigkeit das Innere offenbare; deutsch
ist nicht die Dutzendschablone, sondern die
immer neue individuelle Karakteristik, nicht
die »antikisirende Horizontallinie« sondern die
Vielgestaltigkeit der Linien, unter denen der
senkrechten, der aufwärts strebenden ihr
volles unumschränktes Recht zukommt, ja
die in dem hohen Dache, in den Giebeln und
Erkern, in den Thürmchen und Treppen-
bauten oft geradezu für den ästhetischen
Eindruck das bestimmende Motiv ist. Kurzum
deutsch ist der ganze Reichthum an male-
rischen Elementen, der eben die deutsche
Renaissance vor allen anderen Baustilen aus-
zeichnet. Ein köstliches Vorbild für solche
Bauweise, in der der deutsch Empfindende —
nicht wie einst Goethe durch Reisen in
wälsches Land deutschem Wesen Entfremdete
— seine volle Freude hat und sich wohl und
heimisch fühlt, bildete vor zwei Jahren die
alte Stadt, die im Anschluss an die Aus-
stellung für Handwerk und Kunstgewerbe
in Dresden errichtet war. Hildesheim, Halber-
Plakette. WALTHER WITTING—DRESDEN.
Paul Schumann:
Gedenk-Plakette. WALTHER WITTING—DRESDEN.
lebendig gegliederte Thurm mit Laterne und
Wetterfahne giebt dem Ganzen einen wirk-
samen schmuckreichen Abschluss. Der Raum
im Innern ist in musterhafter Weise bis aufs
kleinste ausgenützt; das erste Obergeschoss
nimmt in der ganzen Vorderfront ein einziger
grosser Saal ein. Die gesammten Schmuck-
formen des Inneren sind bis auf die Hut-
halter von den Architekten selbst im modernen
Stil entworfen und auch die Monumental-
malerei ist, wenn auch nicht in durchweg
gelungener Weise zum Schmuck des Haupt-
saales herangezogen.
Sind diese Bauten die Hauptvertreter
des erneuten Dresdner Barockstils, so finden
sich anderseits auch eine ganze Reihe von
Bauten, die mehr oder minder reich die
Bauweise der deutschen Renaissance auf-
weisen, damit aber in höchst erfreulicher Weise
echt deutsch volksthümliche Züge in das
architektonische Aussehen Dresdens einfügen.
Was ist denn aber deutsch volksthümlich
in der Baukunst? Deutsch ist nicht die
klassische Kühle und Ruhe der Griechen,
deutsch ist vielmehr reiches frisch pulsirendes
Leben, nicht die formale und regelmässige
Schönheit, sondern die innerliche Beseeltheit,
nicht eine in sich harmonische, reiche Schau-
seite, die keinen Schluss auf das für sich
bestehende Innere zulässt, sondern dass das
Aeussere in seiner Mannigfaltigkeit, ja Un-
regelmässigkeit das Innere offenbare; deutsch
ist nicht die Dutzendschablone, sondern die
immer neue individuelle Karakteristik, nicht
die »antikisirende Horizontallinie« sondern die
Vielgestaltigkeit der Linien, unter denen der
senkrechten, der aufwärts strebenden ihr
volles unumschränktes Recht zukommt, ja
die in dem hohen Dache, in den Giebeln und
Erkern, in den Thürmchen und Treppen-
bauten oft geradezu für den ästhetischen
Eindruck das bestimmende Motiv ist. Kurzum
deutsch ist der ganze Reichthum an male-
rischen Elementen, der eben die deutsche
Renaissance vor allen anderen Baustilen aus-
zeichnet. Ein köstliches Vorbild für solche
Bauweise, in der der deutsch Empfindende —
nicht wie einst Goethe durch Reisen in
wälsches Land deutschem Wesen Entfremdete
— seine volle Freude hat und sich wohl und
heimisch fühlt, bildete vor zwei Jahren die
alte Stadt, die im Anschluss an die Aus-
stellung für Handwerk und Kunstgewerbe
in Dresden errichtet war. Hildesheim, Halber-
Plakette. WALTHER WITTING—DRESDEN.