A telier-Nachrichten.
453
Abreiss-Kalender. johann vincenz cissarz.
so lange studirt, bevölkern sie nicht mehr,
sie bleiben in ihrer Heimath, oder vielmehr
sie gehen wieder dahin, wo sie sich zuhause
fühlen, und, was sie da sehen und malen,
sehen sie — vielleicht theilweise unbewusst
— nicht mehr nur mit den kalten, ein-
bohrenden Blicken des »Augenthiers« —
mehr und mehr sprechen ihre Bilder von
dem Landschaftskarakter.
Aeusserlich drängt sie noch die nüchterne
Forderung des Zwecks, die vom Kunst-
gewerbe her und mit Recht auch an die
hohe Kunst herantritt auf diesem Wege
weiter, oder besser noch: diese Forderung,
vor der die tadellos gut gemalte Naturstudie
nicht weiter kommt, lässt ihren Weg sich
nach zwei Zielen gabeln. Einmal mühen sie
sich darum dem Tafelbilde durch den intimen
Reiz der — auch hier vereinfachten — Farbe,
die seelisch wirkt, den Werth des selbständig
existenzberechtigten Kunstwerks zu geben;
auf dem anderen Wege streben sie nach
Ein- und Anpassen in die Umgebung, nach
dekorativer Wirkung, und das drängt sie
zum Abstreifen des Unwesentlichen, zum
Vereinfachen, zum Zusammensehen in wenige
grosse Farbflächen, in denen der Lokalton
wieder stärker hervortritt, das zwingt sie die
Linie, den Umriss, der in den Fluthen farbigen
Lichts lange Zeit schier ertrunken war, auch
in der Malerei wieder kräftiger und deutlich
gross sprechen zu lassen.
Das sind mehr oder minder stark aus-
geprägte Merkmale aller dieser Landschafter.
Die Entwickelung vom ersten zum zweiten,
von der Tonmalerei des intimen Tafelbildes
zu einer bei möglichster seelischer Vertiefung
hauptsächlich dekorativ wirkenden Malerei,
ist bei dem nachgenannten Künstler zu
verfolgen.
PAUL SCHULTZE — NAUMBURG
(Berlin), der das Schaffen seiner letzten
Jahre zum ersten Mal in einer annähernd
vollständigen Kollektion hier in Dresden
vereinigte, hat lange fleissig und treulich
vor der Natur gezeichnet und sein Formen-
gedächtniss gestärkt; das sehen wir an seinen
bis ins kleinste Detail durchgezeichneten
Studien älteren Datums. Er hat lange ge-
sucht bis er dann in seiner Heimath im
Thüringer Lande, wie in einer Offenbarung,
alles, was er draussen gesucht, in Fülle
Titelblatt. M. griessbach—Dresden.
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Abreiss-Kalender. johann vincenz cissarz.
so lange studirt, bevölkern sie nicht mehr,
sie bleiben in ihrer Heimath, oder vielmehr
sie gehen wieder dahin, wo sie sich zuhause
fühlen, und, was sie da sehen und malen,
sehen sie — vielleicht theilweise unbewusst
— nicht mehr nur mit den kalten, ein-
bohrenden Blicken des »Augenthiers« —
mehr und mehr sprechen ihre Bilder von
dem Landschaftskarakter.
Aeusserlich drängt sie noch die nüchterne
Forderung des Zwecks, die vom Kunst-
gewerbe her und mit Recht auch an die
hohe Kunst herantritt auf diesem Wege
weiter, oder besser noch: diese Forderung,
vor der die tadellos gut gemalte Naturstudie
nicht weiter kommt, lässt ihren Weg sich
nach zwei Zielen gabeln. Einmal mühen sie
sich darum dem Tafelbilde durch den intimen
Reiz der — auch hier vereinfachten — Farbe,
die seelisch wirkt, den Werth des selbständig
existenzberechtigten Kunstwerks zu geben;
auf dem anderen Wege streben sie nach
Ein- und Anpassen in die Umgebung, nach
dekorativer Wirkung, und das drängt sie
zum Abstreifen des Unwesentlichen, zum
Vereinfachen, zum Zusammensehen in wenige
grosse Farbflächen, in denen der Lokalton
wieder stärker hervortritt, das zwingt sie die
Linie, den Umriss, der in den Fluthen farbigen
Lichts lange Zeit schier ertrunken war, auch
in der Malerei wieder kräftiger und deutlich
gross sprechen zu lassen.
Das sind mehr oder minder stark aus-
geprägte Merkmale aller dieser Landschafter.
Die Entwickelung vom ersten zum zweiten,
von der Tonmalerei des intimen Tafelbildes
zu einer bei möglichster seelischer Vertiefung
hauptsächlich dekorativ wirkenden Malerei,
ist bei dem nachgenannten Künstler zu
verfolgen.
PAUL SCHULTZE — NAUMBURG
(Berlin), der das Schaffen seiner letzten
Jahre zum ersten Mal in einer annähernd
vollständigen Kollektion hier in Dresden
vereinigte, hat lange fleissig und treulich
vor der Natur gezeichnet und sein Formen-
gedächtniss gestärkt; das sehen wir an seinen
bis ins kleinste Detail durchgezeichneten
Studien älteren Datums. Er hat lange ge-
sucht bis er dann in seiner Heimath im
Thüringer Lande, wie in einer Offenbarung,
alles, was er draussen gesucht, in Fülle
Titelblatt. M. griessbach—Dresden.