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Paul Schumann:
W. STEINHAUSEN.
für ihn, dessen Schaffen getrieben ward von
dem Wunsche, »die Menschen zu erquicken
und zu erfreuen, indem er ihnen die Gegen-
stände zeigte, die ihrem Herzen theuer sind«.
Aber diese Erfahrung hat ihn nicht abge-
halten, auf dem betretenen Wege, der seiner
innersten Ueberzeugung nach der richtige
war, ruhig weiter zu schreiten. Im Jahre
1890 erhielt Steinhausen vom preussischen
Staate den Auftrag, den Vereinssaal des
St. Theobaldi-Stiftes in Nöschenrode bei
Wernigerode mit Fresken auszumalen. Die
beiden Bilder, die er hier in den folgenden
beiden Sommern schuf, sind durch Stein-
hausens eigene Original-Steindrucke weithin
bekannt: die Kreuzigung und »Dieser nimmt
die Sünder an und isset mit ihnen«. Schwer-
lich ist in der Gegenwart ein biblisches Bild
von tieferer religiöser Empfindung geschaffen
worden als das letztere.
Da ist keine Spur von
Effekthascherei: wir mer-
ken es kaum, dass die
Leute, die sich an Christi
Tisch herandrängen, und
unterschiedslos ihm will-
kommen sind, moderne
Kleider tragen. Nur der
seelische Gehalt des Vor-
gangs, die allumfassende
Liebe und schlichte Fröm-
migkeit kommt uns zum
Bewusstsein und nimmt
unser Empfinden unwider-
stehlich gefangen. Hier
wie in allen anderen
Schöpfungen Steinhausens
hat man die Empfindung
unbedingter Wahrheits-
liebe; nichts ist erdacht,
ausgeklügelt, berechnet,
sondern das füesst alles
aus reinstem Herzen.
Das Bild zeigt die ge-
wohnte Breitanordnung
des Abendmahlstisches:
Christus sitzt jenseits des
Tisches in der Mitte ge-
rade vor der offenen
Thür, die nebst zwei
Fenstern den Blick auf eine mitteldeutsche
Berglandschaft führt; ernst und liebevoll
schaut er, offenbar gütige Worte redend,
auf den barfüssigen Mann, der allein dies-
seits des Tisches kniet und das Haupt in
den Händen birgt, während drüben links
und rechts neben Jesu Männer, Frauen und
Kinder sitzen, knieen und stehen und in
tiefer Andacht seinen Worten lauschen.
Wüsste man nicht, dass das Bild Ev. Luc.
15, 2 illustriren sollte, so würde man es wohl
eher »Christus als Freund der Armen« be-
zeichnen. Auch die Kreuzigung, von der
wir eine Abbildung geben, ist keine Dar-
stellung im gewöhnlichen Sinne: der gekreu-
zigte Christus bildet die Mitte, von beiden
Seiten nahen Gläubige, Erlösungsbedürftige,
Kranke, Männer, Frauen und Kinder aller
Stände: das Ganze ist ein Symbol, dass
Mutter und Kmd. Steindruck.
Paul Schumann:
W. STEINHAUSEN.
für ihn, dessen Schaffen getrieben ward von
dem Wunsche, »die Menschen zu erquicken
und zu erfreuen, indem er ihnen die Gegen-
stände zeigte, die ihrem Herzen theuer sind«.
Aber diese Erfahrung hat ihn nicht abge-
halten, auf dem betretenen Wege, der seiner
innersten Ueberzeugung nach der richtige
war, ruhig weiter zu schreiten. Im Jahre
1890 erhielt Steinhausen vom preussischen
Staate den Auftrag, den Vereinssaal des
St. Theobaldi-Stiftes in Nöschenrode bei
Wernigerode mit Fresken auszumalen. Die
beiden Bilder, die er hier in den folgenden
beiden Sommern schuf, sind durch Stein-
hausens eigene Original-Steindrucke weithin
bekannt: die Kreuzigung und »Dieser nimmt
die Sünder an und isset mit ihnen«. Schwer-
lich ist in der Gegenwart ein biblisches Bild
von tieferer religiöser Empfindung geschaffen
worden als das letztere.
Da ist keine Spur von
Effekthascherei: wir mer-
ken es kaum, dass die
Leute, die sich an Christi
Tisch herandrängen, und
unterschiedslos ihm will-
kommen sind, moderne
Kleider tragen. Nur der
seelische Gehalt des Vor-
gangs, die allumfassende
Liebe und schlichte Fröm-
migkeit kommt uns zum
Bewusstsein und nimmt
unser Empfinden unwider-
stehlich gefangen. Hier
wie in allen anderen
Schöpfungen Steinhausens
hat man die Empfindung
unbedingter Wahrheits-
liebe; nichts ist erdacht,
ausgeklügelt, berechnet,
sondern das füesst alles
aus reinstem Herzen.
Das Bild zeigt die ge-
wohnte Breitanordnung
des Abendmahlstisches:
Christus sitzt jenseits des
Tisches in der Mitte ge-
rade vor der offenen
Thür, die nebst zwei
Fenstern den Blick auf eine mitteldeutsche
Berglandschaft führt; ernst und liebevoll
schaut er, offenbar gütige Worte redend,
auf den barfüssigen Mann, der allein dies-
seits des Tisches kniet und das Haupt in
den Händen birgt, während drüben links
und rechts neben Jesu Männer, Frauen und
Kinder sitzen, knieen und stehen und in
tiefer Andacht seinen Worten lauschen.
Wüsste man nicht, dass das Bild Ev. Luc.
15, 2 illustriren sollte, so würde man es wohl
eher »Christus als Freund der Armen« be-
zeichnen. Auch die Kreuzigung, von der
wir eine Abbildung geben, ist keine Dar-
stellung im gewöhnlichen Sinne: der gekreu-
zigte Christus bildet die Mitte, von beiden
Seiten nahen Gläubige, Erlösungsbedürftige,
Kranke, Männer, Frauen und Kinder aller
Stände: das Ganze ist ein Symbol, dass
Mutter und Kmd. Steindruck.