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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Fries, F.: Deutsche und italienische Kunst in Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0132
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4o8

Dr. F. Fries: Deutsche und italienische Kunst in Frankfurt.

RUDOLF BERENY. Bildniss Hans Thoma's.

Die Landschaft ist von Thoma selbst gemalt.

die man weder fürchtete noch liebte, der
man keine besondere Aufmerksamkeit
schenkte und deren man sich erst erinnerte,
wenn man ihrer bedurfte. Der Mensch stand
hier nicht in der Natur, er schien gleichsam
über ihr zu stehen. Warum sollte er sich
nicht selbst verherrlichen, wo die Natur sich
ihm sogar dienstbar erwies. Aus diesem
Reichthum der Natur aber erwuchs das Ge-
fühl der Unabhängigkeit, der Selbständigkeit
bei dem Menschen. Die Leichtigkeit der
Existenz jedoch erzeugt eine Sorglosigkeit der
Gemüther, ein spielendes und tändelndes sich
Hingeben an momentane Eindrücke; und
daher kommt es, dass auch die italienische
Kunst in dem einfachen sinnlichen Ausdruck,
der Schönheit der Erscheinung, der Formen
und Linien ihre einzige und hohe Befriedigung
findet. So war es in erster Linie die äussere
Erscheinung des Menschen, das bewegliche

Spiel der Glieder, die
sichtbare Form seiner
Existenz, die die Italiener
zur Darstellung reizte.

Aus dieser naiven
Freude an der Nachbil-
dung des Geschehenen
ohne irgend einen Neben-
gedanken ist auch die
Kunst Hans von Mar des'
hervorgegangen. Dies
aber auch ist der Punkt,
in dem sie sich mit der
Thoma's berührt; aber
sie ist zugleich von ihr
unterschieden wie die
deutsche Kunst von der
italienischen. Marees' Fi-
guren sind selbständige
Wesen, die nur um ihrer
Selbstwillen da sind;
Thoma's Menschen sind
vielfach nur ein Stück
der Natur, in der sie
leben. Thoma und Marees
haben in Frankfurt Schule
gemacht. Letzterer durch
seinen Schüler Carl von
Pidoll, einen Mann, den
seine glänzende Bildung,
sein scharfer, klarer Verstand, seine Gabe
auch für die abstraktesten Dinge stets das
plastische Wort zu finden und last not least
seine künstlerischen Qualitäten zu einer
Lehrkraft allerersten Ranges stempeln.
Unter dem Einfluss dieses Mannes hat sich
die Künstlerin entwickelt, von der hier eine
Anzahl Bilder reproduzirt sind. Fräulein
Ottilie Röderstein, eine Züricherin, ursprünglich
eine Schülerin von Carolus Duran in Paris,
hatte sich dessen mehr auf den malerischen
Effekt ausgehende Technik angeeignet und
es darin zu einer gewissen Routine gebracht.
Trotz ihrer Erfolge, die sie bereits erzielte,
hat sie, nachdem sie zur Ueberzeugung ge-
kommen, dass diese Art ihr mehr anerzogen
sei, als sie ihrem eigentlichen Wesen ent-
spreche, die mehr malende Manier verlassen
und sich nun bemüht, vor Allem die Form
klar und deutlich zur Aussprache zu bringen.
 
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