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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Fries, F.: Deutsche und italienische Kunst in Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0134
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Dr. F. Fries:

j. r. witzel. Porträt-Studie.

Angesichts der hier wiedergegebenen Bilder
wird man wohl sagen dürfen, dass die
Künstlerin den gethanen Schritt nicht zu
bereuen braucht und dass sie in dem
schlichten aber bestimmten und energischen
Niederschreiben des Angeschauten ein künst-
lerisches Ausdrucksmittel gefunden hat, das
ihrem Naturell am besten entspricht. Die
Weglassung alles Nebensächlichen und Klein-
lichen, die Hand in Hand geht mit der
starken Betonung des Wesentlichen, geben
den Bildnissen eine Grösse und Einfachheit,
die in Verbindung mit einer wohlthuenden
Klarheit auf das Auge eine beruhigende
Wirkung ausüben. Es wird eben nirgends
gezwungen, sich das Wesentliche selber
mühsam zusammenzulesen. In dieser Er-
leichterung des Schauens liegt ein Theil des
befreienden Gefühles begründet, das man
vor diesen Bildern empfindet und das uns die-
selben sympathisch macht. Im Kolorit ist die
Künstlerin meist kühl. Mit ihren Tempera-
farben, die trotz ihrer Tiefe grosse Klarheit,
Durchsichtigkeit und Leuchtkraft besitzen,
erzielt sie prächtige Wirkungen. Geschmack-
volles Anwenden von stärkeren Farbwerthen,
die aber überall, wo sie erscheinen, den Ein-
druck des Nothwendigen hervorrufen, trägt
wesentlich mit zur Erhöhung des kolo-

ristischen Reizes der Gemälde bei. Die
Köpfe sind alle mit grossem Geschick in die
Landschaft hineinkomponirt. Aber jene
Landschaft hat kein selbständiges Interesse,
denn sie ist nicht mehr als der Raum, in
dem jene Figuren leben, deren »Wirkung
im Raum« wiederzugeben, die Künstlerin
interessirte. Die Figuren erscheinen nicht
an diese oder jene Landschaft gebunden,
man könnte sie ebensogut in jede andere
versetzen. Hierin liegt der wesentliche
Unterschied zwischen jener Marees'schen
Richtung, der ausser Frl. Röderstein sich
noch Wilhelm Wohlgemut, ebenfalls ein sehr
talentirter Künstler, angeschlossen hat und
den beiden anderen hochbegabten Künstlern
Altheim und Boehle, die mehr an Thoma gross
geworden sind. Was alle verbindet ist die
Betonung des Zeichnerischen, die Klarheit
der Form und das Vermögen räumlicher
Darstellung; was sie trennt ist das Verhältniss
der Figuren zur Landschaft. Die Figuren
Altheim's und Boehle's sind nicht loszulösen
von ihrer Umgebung, in der sie leben und
weben, in der sie gross geworden sind, von
der sie gleichsam selber ein Stück ausmachen.
Hier steht der germanische Geist gegen den

I. R. WITZEL. Plakat-Entwurf.
 
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