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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Jan Toorop - im Haag
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0273
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JAN TOOROP. Kreide-Zeichnung.

Geiger, den er auf dem Klavier zu begleiten
pflegte, durch einen jähen Tod entrissen
wurde, berührt er nur noch selten das In-
strument um zu phantasiren. — Nach seiner
Ankunft hatte er zunächst die Schulen in
Leyden und Delft besucht. Es war der
Wunsch seines Vaters, der von der künst-
lerischen Begabung seines Sohnes durchaus
nicht überzeugt war, dass er Beamter werden
sollte. Der Sohn setzte es jedoch mit Unter-
stützung hervorragender Künstler und Kenner
durch, dass er an der Reichs-Akademie zu
Amsterdam studiren durfte. Hier befreundete
er sich bereits am Anfang der 80er Jahre
mit einem Kreise junger Künstler, die später
in der niederländischen Kunst eine führende
Stellung einnehmen sollten: Derkinderen,
Jan Veth, Witsen, Karsen u. a. Die Schwär-
merei für Victor Hugo war es, was diese
jungen Feuerköpfe zusammenführte. Der-
kinderen begleitete ihn auch nach Brüssel,
wo sie unter Portaeis vornehmlich das Akt-
zeichnen pflegten. Toorop genoss damals
ein Stipendium des Königs von Holland in
der Höhe von 800 Gulden. In den wunder-
baren Sammlungen Belgiens fesselte ihn am
meisten die Gothik sowie die Gemälde des

Toorop.

Quentin Messys und des Memling. Trotz
der pleinairistischen Technik ist daher in
seinem damals entstandenen ersten grösseren
Bilde »Ehrfurcht vor dem Tode« eine Neigung
zum Gothisiren bemerkbar. Das Bild wurde
von der Künstler-Vereinigung »TEssor« aus-
gestellt und erregte grosses Aufsehen. Er
hat es später gegen eine Kollektion bordirter
Stoffe aus Japan in Tausch gegeben.

Damals war für die Niederlande bereits
die Epoche der »Secessionen« angebrochen.
Aus dem »Essor« schied die Elitegruppe der
»Societe des Vingt« aus, als deren Vorstände
der Advocat und bedeutende Schriftsteller
Edmond Picard und Octave Maus eine höchst
erspriessliche Thätigkeit entfalteten. Zu
diesen »XX« gehörte neben Khnopff, Ensor,
Meunier, Finch, Rysselberghe u. a. auch
Toorop. Ihre erste Ausstellung veranstalteten
sie 1884. Die Genossenschaften der älteren
Künstler führten einen erbitterten Kampf
gegen die keck aufstrebende Jugend, ohne
jedoch den Sieg an ihre Banner heften zu
können. In dem Salon der »XX« hat
Toorop mehrfach ausgestellt, u. a. seine »Dame
in Weiss«, »eine schlanke, blonde Frau in
einem hellen, zarten, heiteren Interieur «. Mit den
Verkäufen haperte es aber noch immer. In
Gemeinschaft mit seinem Freunde Henry de
Groux, »der noch ärmer war als er«, zog er
sich auf ein ländliches Gehöfte bei Brüssel
zurück. Hier widmete er sich ganz der Er-
forschung der Natur, und kam nur nach
Brüssel, wenn ihn die Noth zwang seine Stu-
dien, oft zu Dutzenden für 100 Franken, los-
zuschlagen. Hier in Machelen, war der grosse
Meister der Plastik, Konstantin Meunier,
häufig sein sehr gern gesehener Gast und
Berather. Jules und Georges Destrec und
der inzwischen verstorbene Dichter Max
Waller, der Begründer der Zeitschrift »Jeune
Belgique« bemühten sich, das Verständniss
seiner Werke in weitere Kreise zu tragen.
Der Verkauf eines grossen Bildes der damals
noch verfolgten »realistischen« Richtung um
den für Toorop's Verhältnisse sehr hohen
Betrag von 1800 Francs ermöglichte ihm
eine Studienreise nach Paris und Italien.
Nach Brüssel zurückgekehrt, lernte er eine
junge Engländerin, Miss Hall, kennen, welche
 
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