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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 10.1902

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Fuchs, Georg: Mackintosh und die Schule von Glasgow in Turin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6695#0300
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5§2

Mackintosh und die Schule von Glasgow in Turin.

margaret macdonalü-mackintosh—glasgow.

Paneel aus getriebenem Silber als TVand-
oilcr Möbel-Füllung.

i. internationale ausstellung KÜR moderne
dekorative kunst in turin 1902.

sehnige, starkknochige Schotten mit rotblonden
Mähnen, drohenden Stirnen und trotzigen Kinn-
laden. Man sollte glauben, dass ein Mann wie
Voysey eher ein schottischer Künstler für wirk-
liche Schotten wäre, und dass Mackintosh und
die um ihn mit ihren raffinierten Capriccio's, die
sich so primitiv zu geben wissen, den Ästheten
verwandter seien, deren »geglättete Sprüche«,
Sonette und Strophen in sich selbst ihren Zweck
und ihr Genüge finden. Nicht als ob man von
ihnen Unterthänigkeit und Dienstbereitschaft vor
dem gewöhnlichen Leben und seinen brutalen
Anforderungen verlangen wollte! Nein, im Gegen-
teil: die Künstler, denen nach unserer Überzeugung
die Welt gehört, werden Gebieter, Ordner und
König sein über allen diesen Dingen. Allein die
Mackintosh's besitzen offenbar keinen Ehrgeiz
weniger als gerade diesen. Der wundersame Reiz
ihrer Schöpfungen entspringt aus einer ganz
unerhörten Verbindung einer ausschweifenden
Märchen - Fantastik mit einer strengen, schroffen,
fast nüchternen Einfachheit — wie wir sie weder
bei der Romantik noch bei den Praeraffaeliten
finden konnten. Wenn wir in eines ihrer Gemächer
blicken, ist uns zu Mute, wie der kleinen, tapferen
Frau des Ritters Blaubart, als sie in die verbotene
Stube schaute hoch oben im Turm, wo nie eines
Menschen Stimme gehört wurde, von dem man
auf die Erde herabsah, wie auf ein anderes, fremdes,
versinkendes Gestirn. Wenn man sie verstehen
und ihre zarte Schönheit voll geniessen will, so
darf man sie nicht in eine Reihe stellen mit jenen
Holländern, Deutschen und Skandinaven, von
welchen wir bei Gelegenheit der Turiner Aus-
stellung melden konnten, dass sie mit machtvollem
Willen und herrischen Händen einer starken,
frohen Lebensführung ihrer Rasse vorarbeiten.
Ein solches Künstler-Geschlecht bliebe in Schott-
land noch zu erwarten, wenn es überhaupt not-
wendig ist. Denn dort besteht eine in sich ge-
festigte, auf ungebrochener Überlieferung ruhende,
zähe Kultur und Regelung des Lebens nach
einem Rhythmus, der dem Blute der Rasse ent-
sprang. Wenn hier über das Gewordene über-
haupt hinausgegangen werden soll, so kann es
vielleicht gar nicht anders geschehen, als durch
Willkür und Träume: und das wäre dann die
Notwendigkeit der Mackintosh - Kunst und der
tiefere Grund, warum sie ist, wie sie ist. —

Georg Fuchs—Darmstadt.
 
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