Dr. Max Osborn:
katuristischem. Überall regiert ein Strich,
dem man die Herkunft aus Nicholson-
schen Holzschnitten anmerkt, und dessen
energische Bestimmtheit die Wirkung seiner
Keckheit in eminentem Maße steigert;
Kontraste von Licht- und Schattenpartien
sind dabei mit fabelhaftem Instinkt verwertet.
Zugleich aber denkt Craig weiter. Er möchte
am liebsten alle diese Figuren und Szenerien
unmittelbar auf die Bühne retten. Und hier
möchte er ganz souverän herrschen. Der Text
des Dichters gilt ihm wohl nicht sonderlich
viel; aber die Stimmung, die den Dichter
beim Niederschreiben seiner Szenen beseelte,
und die er dem Publikum wieder suggerieren
möchte, sie sucht er zu packen. Als einen
Traum möchte er das Ganze dem Theater-
besucher der bei ihm im eigentlichsten Sinne
ein »Zuschauer« sein würde, vor Augen führen.
Mit der ganzen Einseitigkeit, die eine starke
Begabung sich leisten kann, möchte er alles
unter seine szenischen Dekorations - Ideale
zwingen. — Doch hart im Räume stossen sich
die Sachen. Es ist natürlich, dass bei der
Übertragung von Craigs Entwürfen in die
Realität des Kulissenlebens viel von ihrem
Reiz verloren gehen muss. Auf der Bühne
ist er gebunden, an menschliche Gestalten
mit bestimmten Proportionen, mit bestimmten
Gesichtern gefesselt; die Wirklichkeit tritt
breit und brutal in ihr Recht und zer-
stört ihm nach Möglichkeit seine Träume.
Die andeutenden Linien der Szenerie, die
Grössenverhältnisse zwischen menschlicher
Gestalt und Kulisse, die Beleuchtungseffekte,
die er sich ersonnen, die Kostüme, die er
entworfen, alles tritt nun in Abhängig-
keit von den verschiedensten ausführenden
Kräften und von den Bedingungen der
Bühnentechnik.
Da ist es nun interessant, in den Natur-
aufnahmen nach einzelnen Figuren in dem
schön gedruckten und illustrierten Programm
von »Dido und Aeneas« zu erkennen, dass
trotz all der Abzüge, die man von Craigs
idealen Forderungen zu machen hat, doch
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katuristischem. Überall regiert ein Strich,
dem man die Herkunft aus Nicholson-
schen Holzschnitten anmerkt, und dessen
energische Bestimmtheit die Wirkung seiner
Keckheit in eminentem Maße steigert;
Kontraste von Licht- und Schattenpartien
sind dabei mit fabelhaftem Instinkt verwertet.
Zugleich aber denkt Craig weiter. Er möchte
am liebsten alle diese Figuren und Szenerien
unmittelbar auf die Bühne retten. Und hier
möchte er ganz souverän herrschen. Der Text
des Dichters gilt ihm wohl nicht sonderlich
viel; aber die Stimmung, die den Dichter
beim Niederschreiben seiner Szenen beseelte,
und die er dem Publikum wieder suggerieren
möchte, sie sucht er zu packen. Als einen
Traum möchte er das Ganze dem Theater-
besucher der bei ihm im eigentlichsten Sinne
ein »Zuschauer« sein würde, vor Augen führen.
Mit der ganzen Einseitigkeit, die eine starke
Begabung sich leisten kann, möchte er alles
unter seine szenischen Dekorations - Ideale
zwingen. — Doch hart im Räume stossen sich
die Sachen. Es ist natürlich, dass bei der
Übertragung von Craigs Entwürfen in die
Realität des Kulissenlebens viel von ihrem
Reiz verloren gehen muss. Auf der Bühne
ist er gebunden, an menschliche Gestalten
mit bestimmten Proportionen, mit bestimmten
Gesichtern gefesselt; die Wirklichkeit tritt
breit und brutal in ihr Recht und zer-
stört ihm nach Möglichkeit seine Träume.
Die andeutenden Linien der Szenerie, die
Grössenverhältnisse zwischen menschlicher
Gestalt und Kulisse, die Beleuchtungseffekte,
die er sich ersonnen, die Kostüme, die er
entworfen, alles tritt nun in Abhängig-
keit von den verschiedensten ausführenden
Kräften und von den Bedingungen der
Bühnentechnik.
Da ist es nun interessant, in den Natur-
aufnahmen nach einzelnen Figuren in dem
schön gedruckten und illustrierten Programm
von »Dido und Aeneas« zu erkennen, dass
trotz all der Abzüge, die man von Craigs
idealen Forderungen zu machen hat, doch
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