Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

DOI Artikel:
Ostini, Fritz von: Julius Diez - München
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0033

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Julius Diez—München.

PROFESSOR JULIUS DIEZ—MÜNCHEN.

Dekoratives Panncau: »Wagenlenker«.

heit und Bildung gerade den freien Künsten
gegenüber auch die Gebildetsten zu zeigen
pflegen! An unserer Nachbildung des Entwur-
fes kann man sich überzeugen, daß Diez an
jener Figur gewiß keinen „Häßlichkeitskultus"
getrieben hat — aber die Zahl derer, denen
der Begriff „Frauenschönheit" mit dem Pup-
penhaften identisch ist, scheint merkwürdig
groß zu sein! — Auch der neue Bahnhof in
Nürnberg hat Mosaikschmuck von Julius Diez
erhalten — ihm macht diese Technik, eine
Technik der Kraft und sicheren Ruhe, ganz be-
sondere Freude!

Als der bekannte Münchner Baukünstler
Emanuel von Sei dl den Auftrag erhielt, ein
monumentales Restaurationsgebäude für den
neuen Münchner Ausstellungspark zu schaffen,
zog er zur malerischen Ausschmückung des
originellen Baues mit in erster Linie unsern
Maler heran und die Nuß, die er ihm zu knacken
gab, war hart genug. Von dem hohen Festsaal-
bau gehen, in mehrfach gebrochenen Bogen,
zwei nach vorn offene, gewölbte Wandelhallen
aus, die, in Pavillons endigend, die Wirtschafts-
terrasse umarmen. Die Rückflächen dieser
beiden, nach vorn offenen Wandelhallen nun,
von denen jede 65 Meter mißt, galt es mit einer
zusammenhängenden Fresken-Dekoration zu
zieren, also einen Riesenfries zu schaffen, der
sich über dem Lambris hin- und bis in die
gewölbte Decke hineinzog. Schon die Fest-
stellung einer Idee, die für den enormen Raum
ausreichte und etwas anderes brachte, als die
gewohnten Aufzüge und Allegorien, kostete
nicht wenig Kopfzerbrechen. Die Fläche mußte

„gedeckt" werden und durfte doch nicht all-
zuviele Arbeit kosten. — Diez half sich durch
einen wirklich genialen Einfall: Er verwandelte
den ganzen, ausgedehnten Raum in eine Gar-
ten- oder Parkanlage im Sinne der Watteau-
Zeit, eine jener pittoresken Anlagen, in denen
bizarre Gartenkünste mit der freien Natur
zusammenwirken. Da gibt es geschnittene
Hecken, Spaliere und Bogengänge, grüne
Brunnentempel, Tore und Lauben, Pyramiden-
bäumchen und allerlei tolle Figuren, wie sie
damals die Gartenkünstler aus Buchs und
Taxus schnitten. Und diese etwas steife Herr-
lichkeit der barocken Gartenkunst wird immer
wieder unterbrochen durch ungebändigte und
unverschnittene Natur, grüne malerische Bir-
ken und andere Bäume, oder durch architek-
tonischen Zierat, Ballustraden mit Vasen und
Urnen, Brücken und Brunnen und mytholo-
gische Steinfiguren, wie sie zum Barockgarten
gehören: da ist ein Faun auf einem Einhorn,
ein Aktäon, der sich eben in einen Hirsch,
eine Daphne, die sich eben in einen Lorbeer-
baum verwandelt. Durch Blumensträuße, die
da und dort auf dem Geländer liegen, durch
bebänderte Girlanden und Buketts, durch
eine Menge farbenprächtiger Wundervögel,
kommt bunte Farbe in das Gartengrün. Auch
drollige Affen treiben sich dazwischen umher.
Die menschliche Gestalt ist spärlich verwen-
det. Nur eine kleine Zahl famos gekennzeich-
neter Rokokotypen ist zu sehen und wirkt
dann aber um so lustiger und lebendiger. Hier
wird eine vornehme Dame von Gondolieren
auf bauchigem Boot durch einen Kanal ge-

19
 
Annotationen