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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Ostini, Fritz von: Julius Diez - München
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Fritz v. Osthä:

PROFESSOR JULIUS DIEZ MÜNCHEN.

Gemälde: »Panik«.
Im Besitz der Sezessionsgalerie—München.

rudert; dort läßt ein hübsches Mädchen einen
Drachen steigen; dort fährt im Jagdgewand
eine schlanke Schöne mit einem Gespann von
Hirschen über eine Brücke; ein Vogelfänger,
der direkt aus der Comedia dell'arte zu kom-
men scheint, lehnt an einem Tor — alles hat
Reiz und Witz und kennzeichnet die Zeit, für
die Diez übrigens immer eine gewisse Vorliebe
zeigt — was die Typen, nicht was die Schnör-
kel des Stils angeht! Auch auf seinen Tafel-
bildern spielen die galanten Damen mit Reif-
rock und turmhoher Puderperrücke eine Rolle.
Aber Rokokobilder malt er nicht, sondern Ge-
schöpfe eigener Phantasie. Ihn reizt das, was
auch in der Tracht ein wenig burlesken Cha-
rakter hat, wie alles, was nicht alltäglich ist.

Wie Diezens sämtliche Tafelbilder, sind
auch alle seine für die „Jugend" gezeichneten
Titelblätter und Vollbilder phantastischer Art,
phantastisch in der Weise, wie etwa Dürers
Melancholie und Fortuna oder die Apokalyp-
tischen Blätter. Auch hier keine Originalität
um jeden Preis, sondern eine, die ganz leicht
und natürlich aus unendlich fruchtbarer Vor-
stellungskraft quillt. „Die große Waag", „Frau
Wahrheit will beherbergt sein" und ähnliche
Kompositionen dieser Art machten das markige
und selbstherrliche Talent des jungen Diez zu-
erst bekannt. Eine ganze Reihe solcher, aufs
Sorgsamste ausgeführter Blätter hat der Künst-
ler übrigens schon vor Gründung der „Jugend"
an den „Pan" gegeben, in dessen Mappen sie
leider, ohne reproduziert worden zu sein,
spurlos verschwunden sind.

In seinen Staffeleigemälden blieb und bleibt
Diez fast immer auf dem Gebiete des Spuk-
und Märchenhaften, wobei seine Besonderheit
schwer mit Worten festzustellen ist. Vielleicht
liegt sie in der merkwürdigen Verbindung von
Poesie und Humor; die erstere bringt der Ma-
ler, den zweiten der Zeichner ins Bild. Der
Maler Diez kann dabei ganz merkwürdig weich
und zart werden, wie in dem seltsamen Pastell
mit den „Sumpfgespenstern", worunter man
sich etwa die Geister verstorbener Kriegs-
männer vorstellen mag, die auf der Walstatt,
wo sie gefallen sind, umgehen. Noch feiner
als Malerei ist der „Spuk" aus der Galerie
Knorr mit den nonnenhaften Trudenweiblein,
die irgend ein blühendes Menschenkind zur
Exekution führen — ein ganzes Märchen läßt
sich aus dem schönen Nachtstück spinnen.
Gespenstisch im höchsten Grade sind ferner
die „Pest", die „Panik", die auch als Farbe
ihren fremdartigen Zauber haben — Teufeleien
mit starkem Einschlag von Humor sind der
„Kuppler" und „Fortuna". Ein großer Schalk
spricht daraus, der seine ganz eigenen Ge-
danken hat. Dort der geschwänzte und gehörnte
Liebesbote und ganz hinten, durch den Mauer-
bogen sichtbar, sein Auftraggeber, derbehäbige
Chinese ! Mit mehr burlesker Anmut hat noch
keiner das Thema von der käuflichen Liebe
behandelt. Im zweiten Bild ist der Teufel als
Leibkutscher der Dirne Fortuna angestellt —
in einem dritten liest er einer Schönen aus
einem galanten Buche vor — den Satan und
das Weib bringt der Maler gerne in gegenseitige

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