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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Michel, Wilhelm: Rezeptive Begabung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0094

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Wilhelm Michel—München:

C. (). CZKSCHKA — HAMB l'Kti

ten, daß man auf ihn horcht, wenn er die Früchte
dieser Mit-Freude und dieses Mit-Leidens zu
Markte bringt, wenn er gewissenhaft und red-
lich, mit Können und Fleiß das gestaltet, was
aus der allgemeinen Nährquelle der Epoche
ihm in den dargebotenen Becher fließt.

Statt dessen stößt er gerade dann auf
Widerstand, wenn er dem inneren Gesetz am
treuesten gehorcht hat. Wer hat es nicht
schon erfahren, daß die Welt gerade das per-
horresziert, was der Künstler am reinsten
und am redlichsten gesagt zu haben glaubte?
Immer will sie etwas abnehmen von seiner
Originalität, von der Eigenart seiner Aus-
drucksweise. Und noch häufiger als dieses
wenigstens teilweise Zuhören ist wie gesagt

das tote Schweigen. Der Künstler bietet
Ware an, die niemand will.

Achtzig Prozent der Einsendungen werden
von der Münchener Sezession alljährlich zu-
rückgewiesen. Sie müssen zurückgewiesen
werden, schon weil die vorhandenen Räume
den Reichtum nicht fassen könnten. Das be-
deutet ein ungeheures Angebot, dem keine
Nachfrage entspricht, ja dem nicht einmal der
Weg zu den „Konsumenten" freigegeben wird.
Eine böse Lotterie, fürwahr, bei der nur jedes
fünfte Los gewinnt, und bei welchem Ein-
satz an Zeit, Kraft und Hoffnungen!

Und es drängt sich gerade hier die Frage
auf, ob statt so vieler „produktiver" Be-
gabungen nichtbesser „rezeptive" Begabungen

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