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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Brieger, Lothar: Auguste Rodin - Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0148

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Lothar Bricger- Wasscrvogel':

adguste rodin. Bronze: »Ein Schatten« aus der Gruppe »l'Enfer«.

und Gelegenheit findet. Wer den
modernen Menschen erfassen
will, muß ihn in der Bewegung
überraschen, im Plötzlichen und
Momentanen, das wie ein Schein-
werfer jäh über die ganze Per-
sönlichkeit dahin flackert, um
bald darauf nur etwas für das
moderne Auge zu Undifferen-
ziertes zu hinterlassen. — Das
ungefähr ist die kunsthistorische
Auffassung Rodins, die Weltan-
schauung, mit der seine bild-
hauerische Realistik an ihre Auf-
gabe ging. Sie ist mit dem Pessi-
mismus der modernen Dichtung
— Baudelaire, den er wunder-
voll wiedergab, ist Rodins Lieb-
lingsdichter— gesättigt und kennt
keine Beschönigung. Ihr eigent-
liches Material ist die Bronze,
das Material der kommenden
Plastik überhaupt, das Mate-
rial der Bewegung. Von den vie-
len Arbeiten, die es von Rodin
in Marmor und Bronze gibt, wird
man fast immer die Bronze vor-
ziehen mit ihrer grade hier fast
unverhältnismäßig größeren Aus-
drucksstärke, ihrem weit inten-
siveren Leben. — Rodins Kunst
steht am Eingange einer neuen
plastischen Epoche, der Plastik
der Bewegung, und so sicher
diese noch stärker wird, so sicher
ist Rodins Einzigartigkeit in un-
serer Zeit nicht zu verkennen.
Das Schöpferische, Großartigere,
neue Wege Weisende in Rodin
sieht mit dem Auge seiner Zeit,
er ist der einzige absolute Pla-
stiker der Gegenwart ohne anato-
mischen Fehl, der Einzige, dessen
körperliche Kenntnis und Empfin-
dung so stark sind, daß er selbst
das gibt, was nicht mehr das
Auge des Beschauers sondern
nur noch sein Finger kontrollieren
kann. Ganz wie die größten
Werke des Altertums und der
Renaissance. InkleinerenWerken
selbst wie die Hand Gottes oder
die Versuchung des heiligen An-
tonius. Solch unfehlbare Sicher-
heit von Auge und Hand ist nicht
zu Lernendes oder zu Erziehen-

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