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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Breuer, Robert: Tagung des deutschen Werkbundes: in Frankfurt a. M. 30. Sept. - 2. Okt. 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0178

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Tagung des Deutschen Werkbundes.

auf den entwickelten staatischen Gesetzen
unserer Zeit basierenden Ausbildung in den
Weg treten kann, und sich vor noch so gut
gemeinten dekorativen Verhüllungen hüten".
Einen richtigen Gedanken propagandiert der
sächsische Heimatschutzverein, er belegte ihn
durch mehrere treffliche Beispiele: die Fabrik
soll sich, wenn auch nicht sklavisch, so doch
dem Temperament nach, in die Landschaft ein-
fühlen. Dazu bedarf es keiner besonderen
Volkstümelei, keines aufgeklebten Fachwerkes;
eine konsequende Bändigung der rohen Zweck-
mäßigkeit dürfte genügen! Der Fabrik gebührt
weder eine sentimentale noch eine pathetische
Geste, nur ein sachlicher Rhythmus.

Der zweite Arbeitskreis des Werkbundes
umfaßt die theoretischen Erwägungen und die
Versuche, die gesetzgebenden Körperschaften
und denen verwandte Machtkreise zu beein-
flussen. Im Zentrum dieser Bestrebungen steht
die Sorge um die Schule. In München war be-
schlossen worden, auf der Frankfurter Tagung
Leitsätze einzubringen, nach denen der D.W.B,
eine Ausgestaltung der Schule und der Er-
ziehung des gewerblichen Nachwuchses sich
wünscht. Es hat sich ergeben, daß solche Leit-
sätze nicht aufzustellen sind; daß das Gebiet
zu verschiedenartig, zu kompliziert, als daß es
fruchtbar wäre, mit Resolutionen daran herum-
zudoktern. Diese Einsicht, zuder jederkommen
muß, der sich einmal eingehender mit dem
Problem der gewerblichen Erziehung befaßte,
wurde von dem Referenten, Dr. Dohm, gut
begründet. Sehr instruktiv war dessen Hin-
weis darauf, daß gute Erziehung nur an guten
Aufträgen geschehen könne. Daß alle ge-
werbliche Erziehung abhängig sei von der wirt-
schaftlichen Gesamtlage. Es bleibt darum
nichts anderes übrig, als vorerst die Situation
noch immer gründlich zu studieren. DerD.W. B.
will über das gewerbliche Unterrichtswesen
eine pädagogisch , national - ökonomisch und
künstlerisch orientierte Denkschrift verfassen;
vorausgesetzt, daß er dazu das nötige Geld
zur Verfügung gestellt bekommt. Wie wichtig
eine solche gründliche Bearbeitung der Schul-
frage wäre, ergibt sich am besten aus der Tat-
sache, daß heute eigentlich niemand das ganze,
vielverzweigte Material rein objektiv kennt.

Da es durchaus richtig ist, daß ein guter
Nachwuchs nur durch gute Arbeit der Lehr-
meister wirklich garantiert werden kann, so
muß mit allem Nachdruck nach einer Vermin-
derung der Schundarbeit gestrebt werden.
Dazu wiederum gibt es kein besseres Mittel,
als die Regelung des Submissionswesens. Man

weiß, daß diese Frage zur Zeit an vielen Stel-
len beraten wird. Auf der Frankfurter Tagung
konnte darum nichts eigentlich Neues gesagt
werden. Aber es dürfte doch nützen, wenn
auch diese ansehnliche Versammlung mit aller
Entschiedenheit für ein Aufhören der schlimm-
sten Mißstände der Submission plädiert. Es
ist ein geradezu lächerliches Prinzip, eine aus-
geschriebene Arbeit dem billigsten Anbieter
bedingungslos zu überlassen. Die Qualität
und nicht der Preis muß der wichtigste Maß-
stab werden, muß es doppelt bei Arbeiten,
die der Staat oder die Stadt zu vergeben hat.
Wie diesen Mißständen abzuhelfen ist, darüber
wird noch viel verhandelt werden müssen.
Etwas mehr Dampf könnte hier nichts schaden.
Interessant war es zu hören, daß gerade die
Städte, sie, die sich oft ihres Liberalismus und
fortschrittlichen Geistes rühmen, bei Submis-
sionen viel törichter und hartnäckiger verfah-
ren als der Staat.

Besondere Aufmerksamkeit widmete der
D. W. B. dem sogenannten Sparerlaß des
preußischen Ministers für die öffentlichen Ar-
beiten. Auch hier wurde darauf hingewiesen,
daß das Sparen an sich und um jeden Preis,
meist ein Vergeuden sei. Daß man aber sehr
wohl an dem Kunstkram, an den Puppen und
dem dekorativen Beiwerk, sparen könne. Bei
knappen Geldmitteln soll man eben nicht Po-
temkinsche Dörfer aufrichten, soll vielmehr
einen guten Architekten berufen, der dann
gewiß der Notwendigkeit eine knappe, aber
würdige Form geben wird.

Diese wenigen Nachrichten, die keineswegs
ein erschöpfendes Bild von der Frankfurter
Tagung geben, genügen immerhin, um zu be-
weisen wie umsichtig und rührig der D.W.B,
an alle Probleme der modernen Produktion
herantritt, und wie er die Konsumtion auf ein
möglichst hohes Niveau zu heben, bestrebt ist.
Alle diese Reden, Diskussionen und Resolutio-
nen werden mit Sicherheit Früchte tragen.

Der geistige Höhepunkt dieser zweiten Jah-
resversammlung des D.W.B., ein unvergeß-
liches Erlebnis, war die Fanfare, die Van de
Velde in die öffentliche Abendversammlung
hineinschickte. Das war ein gar hartes Unge-
witter, das schwer über den Industriellen un-
moralischer Observanz niederging. Das war
ein erhebender Hymnus künstlerischen Selbst-
bewußtseins. Das war zugleich eine Adelung
aller derer, ob Künstler, ob Fabrikanten, die
wirklich mit Blut und Seele nach dem neuen
Stil, dem unvergänglichenDenkmal einer neuen
Menschheit, streben. Robert Breuer.

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