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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Schmid, M.: Die Kranzspenden und der Sarg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0219

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Die Kranzspenden und der Sarg.

fehlt. Es ist alles geschäftsmäßig geordnet.
Wer seine Blumensendung einreicht, bekommt
die gedruckte Quittung. — Zuweilen werden
auch solche damit beehrt, die aus Sparsam-
keit oder aus Versehen die Blumenspende
unterlassen haben. Man kann's ja nicht genau
kontrollieren. Vorsichtshalber quittiert man
allen Bekannten.

„Im Sinne des Verstorbenen bittet man
von Kranzspenden abzusehen." Das ist die
Reaktion der natürlichen Empfindung gegen
solchen zur Last gewordenen Formalismus.
Nicht, daß wir dem Sarg nun künftig jeden
Blumenschmuck versagen, ist notwendig,
sondern daß diese Ausschmückung in einer
Weise erfolgt, die niemandes Zartgefühl ver-
letzt. In erster Linie sollte sie doch den Hin-
terbliebenen über-
lassen bleiben, die
es selbst am besten
wissen müssen, wie
viel oder wie wenig
und welcher Art Blu-
menschmuck sie wün-
schen. Diese Hinter-
bliebenen wären dann
in der Lage, nach eig-
nem Vermögen und
vor allem nach eignem
Geschmack den Sarg
und das Trauerhaus
oder die Friedhofs-
kapelle mit Blumen
zieren zu lassen. —
Gleichzeitig dürfte
aber auch eine an-
dere tiefgreifende Re-
form durchaus not-
wendig sein. Es hängt
ja mit dem Verlust
künstlerischen Emp-
findens auf allen Ge-
bieten unseres mo-
dernen Lebens auf
das engste zusam-
men , daß nur ganz
ausnahmsweise für die
Veranstaltung einer
Trauerfeier daran ge-
dacht wird, ihr durch
Heranziehen künstle-
rischer Kräfte eine,
der Würde und dem
Ernste der Stunde
entsprechende äußere
Form zu verleihen.

Eckschrank aus nebenstehender Küche.

Der Friedhofsinspektor, oder, wenn die Feier
im Privathause stattfindet, der Besitzer des
„Leichenbestattungs- Geschäftes", meist ein
ehemaliger Lohnkutscher, werden in der Re-
gel damit beauftragt, den äußeren Rahmen
für die Feier zu schaffen. Diese Leute sind
natürlich ihrer ganzen Vergangenheit nach von
jeglicher Geschmacksbildung völlig entblößt,
um so mehr, als für solche Ereignisse nur
noch ganz geringe Reste alter Tradition bei
uns sich erhalten haben und leider nur die
schlechtesten. Es sei an die fürchterlichen
Zerrbilder erinnert, die in den verschiedenen
Städten mit Rudimenten alter Trachten , wie
Dreimaster, Kniehose etc. neben unseren
Leichenwagen herschreiten. Vor allem an diese
Leichenwagen selber, soweit sie nicht genau

______ nach alten Mustern

erneuert sind. Sollte
es nicht an der Zeit
sein, auch in diesen
Dingen Wandel zu
schaffen? — Hier wird
man einwenden, daß
ein Todesfall meist
die Hinterbliebenen
so plötzlich und so
schwer betrifft, daß
an solche Äußerlich-
keiten niemand den-
ken mag. Andere
wollen gerade durch
Vernachlässigung sol-
cher Dinge ein Zei-
chen ihrer tiefen Er-
griffenheit geben. Das
mag für den Einzelnen
Geltung und Berech-
tigung haben, etwa
für die allernächsten
Angehörigen. Für die
Gesamtheit kann das
nur als ein bedauer-
liches Zeichen kultu-
rellen Tiefstandes gel-
ten. Viele wilde Stäm-
me und selbstver-
ständlich alle höher-
stehenden Völker ha-
ben einst sehr sorg-
fältig durchgebildete
Vorschriften und Ge-
bräuche für ihren
Totenkult besessen.
Nichts wurde da dem

Zufall überlassen. Der

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