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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Wolf, Jakob: Willi Geiger - München - Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0313

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WII.1.1 GEIGER MÜNCHEN-FLORENZ.

Radierung aus der Mappe: »Stierkampf«

WILLI GEIGER-MÜNCHEN-FLORENZ.

VON GEORG JAKOB WOLF—MÜNCHEN.

7illi Geiger trat zu einer Zeit schöpferisch
/ mit der Kunst in Verbindung, da die
angewandte Ästhetik sozusagen auf einem toten
Punkt stand. Der Sezessionismus hatte sich
ausgetobt und verschnaufte sich gerade nach
einem erbitterten, schließlich aber doch erfolg-
gekrönten Anlauf, die konservative Kunst hin-
gegen hatte sich von dem schweren Schlag noch
nicht zu der heute bereits unverkennbaren
inneren Reorganisation erholt und dazwischen
hatte sich, als ein Ausfluß der literarisch-philo-
sophischen Richtung der Zeit, etwas breit ge-
macht, für das man die Schlagworte „Ideen-
kunst" und „Künstler-Philosophentum" allzu
bereit hatte: eine überragende Gestalt der deut-
schen Kunst, ein Genie, an das sich all die Klei-
neren nicht reiben durften, hatte ungewollt diese
nicht gerade glückliche Erscheinung veranlaßt:
Max Klinger. Die Kritik aber war ob all dieser

Erscheinungen verwirrt, der eine zog dahin, der
andere dorthin. Die ehernen Gesetzestafelnder
Kunst waren zerbrochen, und auf schwanken-
dem Steg über einen ungebändigten Ozean
mußten die Jünger der Kunst hinüberbalan-
zieren in die seligen Gefilde einer reinen Kunst.

Solche wirre Kunstverhältnisse traf vor einem
Jahrzehnt Willi Geiger an, als er begann, mit
eigenen Schöpfungen auf den Plan zu treten.
Er brachte außer seinem damals noch ziemlich
latenten künstlerischen Ingenium als Wertvoll-
stes ein unverbrauchtes, geradegewachsenes
Menschentum mit. Die verweichlichenden,
Eigenart fressenden Einflüsse einer dekadenten
Großstadt-Atmosphäre hatten an ihm nicht
gezehrt. Seine Jugend hatte er, der im Jahre
1878 in der niederbayerischen Provinzhaupt-
stadt Landshut geboren wurde, in dieser köst-
lichen gotischen Stadt verlebt, liebevoll gehütet

1910. V. 1.

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