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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 25.1909-1910

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Schaeffer, Karl: Heinrich Vogeler - Worpswede
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https://doi.org/10.11588/diglit.7377#0348

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Heinrich Vogeler— Worpswede.

HEINRICH VOGELER WORPSWEDE.

Gemälde: »Vorfrühling«.

gar nicht anders, als diese Wirklichkeits-
wunder, diese in tausend Liedern singende
Natur festzuhalten. Von phantastischer Er-
findung, von Romantik im üblichen Sinne kann
kaum gesprochen werden; denn was er malt,
ist alles wirklich, und nur der Hauch, in dem
es uns begegnet: ein merkwürdiges Zusammen-
treffen von wildem Dornengewirr und zarter
Rosenpracht, dort eine bizarre Naturform, ein
Lichtschimmer oder eine rätselhafte Geste
machen die Wirklichkeit zum erlebten Märchen.

Für Künstler von Heinrich Vogelers Art
sind schlechte Zeiten. Die Romantik steht
heute nicht hoch im Preis; wenigstens nicht in
der Malerei. Die Kenner haben das Glaubens-
bekenntnis unserer Zeit so formuliert, daß es
auf Monet, Cezanne und Liebermann paßt;
d. h. der Mensch im Künstler kommt nur so-
weit in Frage, als er den Natureindruck in
seine Farbenpartikel zerlegen und aus diesen
so eindrucksvoll als möglich wieder aufbauen
kann; Phantasie ist nur im Sinne eines Farben-

rausches schätzbar; und da der Stoff nichts,
das Wie der Wiedergabe alles bedeutet, jedes
Gemälde also nichts weiter als ein Natur-
eindruck, gesehen durch ein Farbentempera-
ment, sein kann, so bleibt nicht nur die Seele,
das menschlich Persönliche des Gemüts —
Verzeihung, daß ich von solchen Dingen zu
sprechen wage, ich weiß, es ist längst nicht
mehr der Brauch — sondern auch alle eigent-
liche formale Gestaltungskraft in dieser heu-
tigen Ästhetik unfruchtbar und unverwend-
bar, ausgeschlossen. Es ist noch immer nicht
aufgeklärt, wie in dieses Glaubensbekenntnis
der Kenner die unvermittelt und unerwartet
ins Land gekommene Begeisterung für Hans
von Marees sich reimen soll; sie ist der
einzige, menschlich schöne Irrtum in dem
sonst so dogmatisch streng gehüteten System
der heute gültigen Kunstreligion. Ich fürchte
also, daß Heinrich Vogeler, der nun einmal
nicht anders kann als bilden, gestalten und
fabulieren, vorläufig dieser Ästhetik nicht ge-

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