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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Michel, Wilhelm: Bravour
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0034

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Wilhelm Michel—München

muß es wiederholen: Eine wirkliche Land-
schaft läßt sich mit einer gemalten nie und
nimmermehr vergleichen. Die Kunst ist ein
Sonderwert. Wohl aber lassen sich vergleichen
die Eindrücke, die man von jener und von
dieser erhält. Sicherlich hat noch niemand
vor jener berühmten „Ansicht von Haarlem"
des alten Ruisdael oder vor der „Ansicht von
Delft" des Jan Vermeer das Gefühl gehabt,
daß das „weniger" sei als die wirkliche Natur.
Als selbständige Sonderwerte treten diese
gewaltigen Schöpfungen neben die wirkliche
Landschaft, und alle die sinnlichen Machtmittel
der Natur, die kraftvolle Dreidimensionalität,
das Fliehen der Linien und Räume, die blen-

dende Weißglut der Sonne, die nachttriefende
Tiefe der Schatten, die erstaunliche Üppigkeit
und Nüancenfülle des Wäldergrüns, all das
reicht nicht hin, diesen Sonderwert zu schlagen.
Das Streben dieser Künstler ging aber auch
nicht dahin, die Landschaft möglichst elegant
und schneidig zur Strecke zu bringen, sondern
sie ließen sich erfüllen von dem Reichtum des
Motivs und brachten davon so viel als möglich
zum Ausdruck.

Die Bravour steht bei uns heute so hoch
im Kurs, daß sie uns ohne weiteres als Symptom
der Meisterschaft gilt. Die Folge davon ist,
daß sie affektiert wird, wo die entsprechenden
Grundlagen, Meisterschaft und Temperament,

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