KARL CASPAR—MÜNCHEN.
Gemälde: »Christus und die Samariterin«
DIE AUSSTELLUNG
DES DEUTSCHEN KÜNSTLER-BUNDES
DARMSTADT, MAI-OKT. 1910.
Des verblichenen Olbrichs Absicht, seinen
Ausstellungsbau zu einem von schwel-
lendem Laube, von buntem Wein und eng-
lischem Epheu, von zarten Rosen und Glycinen-
gerank in Traumversunkenheit entrückten
Tempel zu machen, hat sich noch nicht ver-
wirklicht : Die weißen Sparrenskelette, die jene
erhofften Wunder Florens tragen sollten, star-
ren noch kahl und nüchtern um sein Werk,
und auch die Monde dieses kometenschwülen
Sommers werden nicht viel daran ändern, es
sei denn, sie zeitigten ganz unerhörte tropische
Blumenwunder. Üppiger überspinnt die künst-
lerische Produktion unserer Tage das Skelett-
gebälk ihrer Grundsätze. Man gehe hinein in
Olbrichs Bau mit den freundlich lichten Sälen
und sehe, was dort emsige Hände seit des
Maien Mitte getan haben und tröste sich für
die getäuschten Hoffnungen draußen : Darm-
stadt, das schnell zur Kunststadt emporge-
bürgte, hat wieder seine Ausstellung. Man rief
in diesem Jahre die freien Künste, von der
„Mathildenhöhe", der motivreichen, buntge-
fälligen Kanzel neuen Kunstgewerbes, zeit-
genössischer Architektur, über sich, ihre Ab-
sichten, ihre Versuche, ihre Stellung zum Geiste
der hastigen, verworrenen Zeit mit ihren viel-
fältigen Strömungen zu reden.
Der Künstlerbund ist dank hohem Wun-
sche und idealer Förderung eines tempera-
mentvollen und einsichtigen Landesherrn an
den Woog übergesiedelt, um Gastschau zu
halten. Einige Monate wird er hier wirken,
um die Erörterungen einer künstlerisch ge-
sonnenen Gesellschaft, den Gesprächstoff neu-
gieriger Reisender, den Entrüstungsklatsch
1910. x. 1.
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Gemälde: »Christus und die Samariterin«
DIE AUSSTELLUNG
DES DEUTSCHEN KÜNSTLER-BUNDES
DARMSTADT, MAI-OKT. 1910.
Des verblichenen Olbrichs Absicht, seinen
Ausstellungsbau zu einem von schwel-
lendem Laube, von buntem Wein und eng-
lischem Epheu, von zarten Rosen und Glycinen-
gerank in Traumversunkenheit entrückten
Tempel zu machen, hat sich noch nicht ver-
wirklicht : Die weißen Sparrenskelette, die jene
erhofften Wunder Florens tragen sollten, star-
ren noch kahl und nüchtern um sein Werk,
und auch die Monde dieses kometenschwülen
Sommers werden nicht viel daran ändern, es
sei denn, sie zeitigten ganz unerhörte tropische
Blumenwunder. Üppiger überspinnt die künst-
lerische Produktion unserer Tage das Skelett-
gebälk ihrer Grundsätze. Man gehe hinein in
Olbrichs Bau mit den freundlich lichten Sälen
und sehe, was dort emsige Hände seit des
Maien Mitte getan haben und tröste sich für
die getäuschten Hoffnungen draußen : Darm-
stadt, das schnell zur Kunststadt emporge-
bürgte, hat wieder seine Ausstellung. Man rief
in diesem Jahre die freien Künste, von der
„Mathildenhöhe", der motivreichen, buntge-
fälligen Kanzel neuen Kunstgewerbes, zeit-
genössischer Architektur, über sich, ihre Ab-
sichten, ihre Versuche, ihre Stellung zum Geiste
der hastigen, verworrenen Zeit mit ihren viel-
fältigen Strömungen zu reden.
Der Künstlerbund ist dank hohem Wun-
sche und idealer Förderung eines tempera-
mentvollen und einsichtigen Landesherrn an
den Woog übergesiedelt, um Gastschau zu
halten. Einige Monate wird er hier wirken,
um die Erörterungen einer künstlerisch ge-
sonnenen Gesellschaft, den Gesprächstoff neu-
gieriger Reisender, den Entrüstungsklatsch
1910. x. 1.
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