PROFESSOR PAUL BON ATZ—STUTTGART.
BLICK VON DER KOLONNADE SÜDLICH DER VORFAHRT.
neben allem andern höchst sehenswerte Galerie
moderner deutscher Graphik ! Vielleicht ist aus
diesen Beziehungen heraus der erste Gedanke
zu einer solchen Ausgestaltung des Neubaues
entstanden, der Gedanke, mit den erlesensten
Mitteln moderner Architektur und Raumkunst
ein Etablissement herzustellen, das nicht nur
dem Betriebe ein schönes und raffiniert zweck-
mäßiges Heim bietet, sondern auch eine Sehens-
würdigkeit ersten Ranges ist, und damit wieder
ein ganz hervorragendes und sicher sehr vor-
nehmes Reklamemittel. Diese Erwägungen ha-
ben die Besitzer wohl nicht getäuscht. Seit der
Eröffnung gegen Ende des Jahres 1909 bis zum
Juni dieses Jahres hatten etwa fünfzehntausend
Personen die Kellereien besucht und die Fabri-
kation spielt sich dort jetzt, da eigentlich ein
ununterbrochener Fremdenstrom durch die
Keller und Betriebsräume zirkuliert, ganz unter
den Augen und der Kontrolle des Publikums
ab. Ein Stab von drei angestellten Herren und
mehr als einem Dutzend Küfer steht ausschließ-
lich zum Empfang und zur Führung dieser Be-
suche zur Verfügung — wohl auch ein Unikum
in einem Fabrikbetriebe !
Dies großzügige Werk mußte natürlich ent-
sprechend vorbereitet werden. Im Sommer 1907
wurden sechs deutsche Baukünstler von gutem
Namen zu einem engeren Wettbewerb einge-
laden. Preisrichter waren mit den Besitzern
die Professoren Friedrich v. Thiersch und Ga-
briel v. Seidl aus München und Baurat Opfer-
mann. Erster Sieger blieb Professor Paul Bo-
natz in Stuttgart, den zweiten Preis erhielt
Professor Billing in Karlsruhe. Wer die in
einem Festraume des Beamten-Kasinos aufge-
hängten Konkurrenz-Entwürfe gesehen hat, wird
sofort erkannt haben, daß der Bonatz'sche Ent-
wurf tatsächlich der sachlichste, originellste und
geschmackvollste war, derjenige, der absolut
den Eindruck machte: So muß es sein! Man
hat das Gefühl, daß man eigentlich den Stil
für eine solche Anlage nicht charakteristischer
und knapper fassen kann, einen Stil, der jedes
Zuviel von Schmuck ausschließt, der seinen
Reiz in der Gediegenheit der Formen und des
Materiales sucht. Es handelte sich um Kel-
lereien, um eine Fabrikanlage, deren größerer
Teil natürlich unter der Erde sich ausdehnen
mußte — also waren Hochbauten mit reicher
Vertikalgliederung, etwa in der Weise Messels
ebenso widersinnig, wie andere mit reichem,
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BLICK VON DER KOLONNADE SÜDLICH DER VORFAHRT.
neben allem andern höchst sehenswerte Galerie
moderner deutscher Graphik ! Vielleicht ist aus
diesen Beziehungen heraus der erste Gedanke
zu einer solchen Ausgestaltung des Neubaues
entstanden, der Gedanke, mit den erlesensten
Mitteln moderner Architektur und Raumkunst
ein Etablissement herzustellen, das nicht nur
dem Betriebe ein schönes und raffiniert zweck-
mäßiges Heim bietet, sondern auch eine Sehens-
würdigkeit ersten Ranges ist, und damit wieder
ein ganz hervorragendes und sicher sehr vor-
nehmes Reklamemittel. Diese Erwägungen ha-
ben die Besitzer wohl nicht getäuscht. Seit der
Eröffnung gegen Ende des Jahres 1909 bis zum
Juni dieses Jahres hatten etwa fünfzehntausend
Personen die Kellereien besucht und die Fabri-
kation spielt sich dort jetzt, da eigentlich ein
ununterbrochener Fremdenstrom durch die
Keller und Betriebsräume zirkuliert, ganz unter
den Augen und der Kontrolle des Publikums
ab. Ein Stab von drei angestellten Herren und
mehr als einem Dutzend Küfer steht ausschließ-
lich zum Empfang und zur Führung dieser Be-
suche zur Verfügung — wohl auch ein Unikum
in einem Fabrikbetriebe !
Dies großzügige Werk mußte natürlich ent-
sprechend vorbereitet werden. Im Sommer 1907
wurden sechs deutsche Baukünstler von gutem
Namen zu einem engeren Wettbewerb einge-
laden. Preisrichter waren mit den Besitzern
die Professoren Friedrich v. Thiersch und Ga-
briel v. Seidl aus München und Baurat Opfer-
mann. Erster Sieger blieb Professor Paul Bo-
natz in Stuttgart, den zweiten Preis erhielt
Professor Billing in Karlsruhe. Wer die in
einem Festraume des Beamten-Kasinos aufge-
hängten Konkurrenz-Entwürfe gesehen hat, wird
sofort erkannt haben, daß der Bonatz'sche Ent-
wurf tatsächlich der sachlichste, originellste und
geschmackvollste war, derjenige, der absolut
den Eindruck machte: So muß es sein! Man
hat das Gefühl, daß man eigentlich den Stil
für eine solche Anlage nicht charakteristischer
und knapper fassen kann, einen Stil, der jedes
Zuviel von Schmuck ausschließt, der seinen
Reiz in der Gediegenheit der Formen und des
Materiales sucht. Es handelte sich um Kel-
lereien, um eine Fabrikanlage, deren größerer
Teil natürlich unter der Erde sich ausdehnen
mußte — also waren Hochbauten mit reicher
Vertikalgliederung, etwa in der Weise Messels
ebenso widersinnig, wie andere mit reichem,
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