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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Ostini, Fritz von: Das Haus Henkell in Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0389

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Das Haus Henkelt in Wiesbaden.

Ernster und herber wirkt das Rauchzimmer,
zu dem man von der Halle von einer Ecke der
Kaminwand aus gelangt. Niedere Bücher-
schränke laufen an den Wänden hin, wuchtige
Ledermöbel leihen dem Raum sein Behagen und
seinen Charakter. Und wieder anders ist das
im Souterrain darunter liegende Billardzimmer,
ein allerliebster Spiel- und Kneipwinkel, farbig
und warm durch den goldbraunen Ton der Täfe-
lung und des Gerätes, voll launiger Überrasch-
ungen, frei von jeder Feierlichkeit — hier muß
die Stimmung gemütlichen Humors schon als
Zwangswirkung des Raumes die Verweilenden
erfassen. Dagegen hat der Speisesaal — der
Gartenwand der Halle gegenüber — seine ge-
messene Würde — ein Speisesaal eben, kein
Eßzimmer! Möbel und Täfelung aus edlem,
dunklem Holz mit einem eingebauten Büfett,
ein zierlicher Wandbrunnen, die Wände und
das flache Tonnengewölbe der Decke weiß.
Allerlei kostbare Kunstgegenstände sind auf
die Kästen gestellt — nicht launig und leicht-
hin, wie draußen in der Halle, sondern mit wohl-
berechnender Sorge. Der riesige ovale Eßtisch
hat Platz nicht nur für die Gedecke, sondern

auch für köstlichen Tafelschmuck aus heitern
Blumen und edlem Porzellan.

Von der Halle aus führt eine kräftige Eichen-
treppe, deren Gebälk bei aller Einfachheit der
Formen doch wieder zum Schmuck dient, an
einem heiteren Frühstücksplatze vorbei, in die
oberen Etagen. Daß natürlich auch hier allent-
halben Geschmack und Behaglichkeit Hand in
Hand gehen, versteht sich von selbst. Diese
beiden guten Genien walten überall im Hause
Henkell, auch in den Wirtschaftsräumen und
den Wohnräumen des Dienstpersonals, wie sie
aus jeder Dachluke gucken und aus jedem
Gartenwinkel. f. v.o.

£

»Jede Produktivität höchster Art, jedes bedeutende
Apercu, jede Erfindung, jeder große Gedanke, der
Früchte bringt und Folge hat, stellt in niemandes
Gewalt und ist über aller irdischen Macht erhaben .. .
Ich sage dies, indem ich erwäge, wie oft ein einziger
Gedanke ganzen Jahrhunderten eine andere Gestalt
gab, und wie einzelne Menschen durch das, was von
ihnen ausging, ihrem Zeitalter ein Gepräge aufdrückten,
das noch in nachfolgenden Geschlechtern kenntlich
blieb und wohltätig fortwirkte.« Goethe, Eckermann.
 
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