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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0414

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Kleine Kunst-Nachrichten.

VON DER WASSERKANTE. Die Flensburger
Kunstgewerbeschule leitet Direktor Anton
Huber mit gesunder Sachlichkeit; er hat beson-
ders die Tischler- und Schnißerklassen zum prak-
tischen Gehorsam gegen die Forderungen des
heimatlichen Landes erzogen. Er treibt indes
keine Heimatkunst, keine nach dem Rezept der
Sentimentalität. Er sucht der Tradition einen
neuen Ausdruck zu geben. Wetterfest, der Schiffs-
axt verwandt, stehen die Möbel; die Schnißereien
wollen den alten Ruf der Meister vom Brügge-
mann-Altar fortseßen. Es lassen sich auch schon
heute recht gute Resultate und eine erfreuliche
Entwicklung gegenüber kurz zurückliegenden Zei-
ten der Stagnation feststellen. Die Schüler haben
gelernt, die Schnißmesser als formbildende Ele-
mente zu nußen; so wurde das Schnißwerk von
der Zeichnung befreit. — Huber hat das Glück
(was nicht für alle Schulleiter gilt), im Interessen-
bezirk der Anstalt Bauaufträge zu bekommen. Er
ist ein leistungsfähiger Architekt, gesund im
Empfinden und kurz entschlossen bei der Aus-
führung. Für die neue Reichsbank, die durch
Habich in Sonderburg gebaut wurde, hat Huber
die Inneneinrichtung entworfen, hat auch die ge-
samte Bauausführung geleitet. Durch solche ge-
meinsame Arbeit entstand dort oben ein staat-
licher Bau, an dem die andern Ressorts, beson-
ders das Marineamt, sich ein Beispiel nehmen
könnten. Etliche Einfamilienhäuser hat Huber in
Apenrade gebaut. Ihnen gemeinsam ist eine über-
aus glückliche Stellung im Landschaftsbild und
eine, die Selbständigkeit wahrende Anpassung an
Klima, Erde und Volk. breuer.
£

FLENSBURG. Der Verein für Kunst und
Kunstgewerbe hat eine Ausstellung von 120
Werken des Malers Jacob Alberts zusammenge-
tragen. Es soll damit dem Landgenossen zu
seinem fünfzigsten Geburtstag eine Ehrung er-
wiesen werden. Diese Vorführung ist nicht un-
interessant, weil Alberts ein psychischer Extrakt
seiner Rasse genannt werden darf. Er hat die
kühle Liebe der Seefahrer zur Heimat und zum
stillen Hafen. Er hat die zähe Energie, der
Städte und der Menschen vergessen zu können,
um auf der wogenumspannten Insel, in dem
vom Sturm bedrängten Inselhaus die Welt und
das All zu sehen. Er ist ein geschliffener
Egoist, ein Seeräuber, ein fröhlicher Melancho-
liker, ein weltmännischer Bauer. Er malt ein
wenig mehr als er dürfte. Daraus folgt, dag
nicht alle seine Bilder Bestand haben werden.
Aber seine ganze Entwicklung hinterließ doch für
jede Periode charakterharte Denkmale. Der
frühesten Zeit gehören die jedes Detail mit hei-

ligem Ernst eintragenden Dokumente aus dem
Lebenskreis der Halligleute. Zu den besten Bildern
der leßten Jahre zählt eine Leinwand, auf der nichts
anderes zu sehen, als Wasser und Himmel, in Dunst
zusammenfließend, silbern sich lösend. breuer.
£

HANNOVER. Bei einer Festrede hat
Stadtdirektor Tramm treffliche Worte über
kommunale Kunstpflege gesagt; sie verdienen
bekannt zu werden: „Jeder Bürger sei es der Ent-
wicklung schuldig, nur Bauten, die das Stadtbild
verschönern, anlegen zu lassen und diese Bauten
nicht Leuten zu übergeben, die keinen Beruf dazu
hätten. Die Stadt müsse dabei mit gutem Bei-
spiel vorangehen, aber auch der Fiskus dürfe
nicht zurückstehen. Im leßten Dezennium sei es
wohl besser geworden, aber Rückfälle, wie der
Bau des Justizgebäudes, seien leider doch noch
zu verzeichnen. Er hoffe, daß der Fiskus als
machtvoller Bauherr auch für eine gute Lösung
der militärischen Bauten Sorge tragen werde." br.

£

BERLIN. Das Virchow-Denkmal. Als vor
längerer Zeit Friß Klimsch den Entwurf zu
seinem Virchow-Denkmal vorlegte, war man sehr
entrüstet darob, daß nicht der bekannte Denk-
mals-Mann im Gehrock auf ein Postament plaziert
worden war. Nur ein Porträtrelief, im übrigen Ar-
chitektur und oben eine allegorische Gruppe; das
war nicht das erforderliche Quantum an Reprä-
sentation. Man drängte den Künstler, bis er
schließlich in einigem nachgab; er tat noch für
die Rückseite ein bronzenes Relief aus der Praxis
des Sezierens hinzu. Im übrigen blieb aber das
Prinzip gewahrt: eine kühle, dem Gefühl nach
dorische Architektur, kräftig getreppter Sockel,
straffe Säulen; der hochstehende, von den Säulen
umstellte Block trägt in dem oberen Balancepunkt
Virchows Kopf in Hochrelief auf einer eingesenkten
Platte. Diese Hauptmasse wird gekrönt durch
die Gruppe des Herakles, der die Bestie der
Krankheit niederringt. In seiner Ganzheit gehört
das Denkmal zweifellos nicht zur modernen Kunst;
es ist ein Nachkömmling. Indessen, was die Dis-
ziplin betrifft, darf es unsere Zeit für sich be-
anspruchen. br.
£

MÜNCHEN. Vermittelungsstelle für an-
gewandte Kunst. Die von der Münchner
Vereinigung für angewandte Kunst gegründete
Vermittlungsstelle hat sich als ausgezeichnetes
Band zwischen Künstlern und Ausführenden er-
wiesen. Die Stadt und der Staat lassen der jungen
Organisation rege Unterstüßung angedeihen. Als
Künstler wirken hier in erster Linie Gräßl, Glaß,
Kunst, Naegele, Pirchan und Cosmus. p- w.

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