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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Kurth, W.: Gemälde der italienischen Renaissance im Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0031

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JACOPO TINTORETTO.

»DIE VERKÜNDIGUNG«

GEMÄLDE DER ITALIENISCHEN RENAISSANCE

IM KAISER FRIEDRICH-MUSEUM ZU BERLIN.

Schon bei der Gründung der Gemäldegalerie
hatte die italienische Kunst das Übergewicht
über die andern Schulen. Besonders empfand
das Stilgefühl jenes Anfangs des 19. Jahrhun-
derts in der Linienkunst der Frührenaissance,
dem Quattrocento, eine nähere Verwandtschaft
mit dem Kunstwollen der eignen Zeit. Die be-
sondere Pflege dieser Abteilung seit den sieben-
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat diese
Anfänge glücklichst vermehrt, so daß heute jen-
seits der Alpen, vornehmlich die Frührenais-
sance, an keinem Ort und in keiner großen
Galerie der Hauptstädte so vertreten ist wie in
Berlin. Nächst den Werken aus der Altnieder-
ländischen Schule ist jene Schule der Stolz
des Kaiser Friedrich-Museums.

Von dem Übergangsmeister der Gotik zur
Renaissance Gentile da Fabtiano besitzt die
Galerie ein Hauptbild (Abb. S. 34): Die Ma-
donna mit zwei Heiligen und dem Stifter. Der
Meister, der um 1360 in Fabriano, einem Städt-
chen der idyllischen, träumerisch milden Land-
schaft Umbriens geboren wurde, gibt hier noch
in seinem Frühwerk den weichen Klang goti-

scher Idealität. Ein überaus zartes und fein
kultiviertes Empfinden tragen die Menschen in
Handlung und Gebärde zur Schau. Ein feiner
poetischer Hauch, eine gedämpfte Stille um-
fängt die Zeremonie. Höfische Vornehmheit
paart sich mit weichverklingender Seele, wie
einst zur Zeit des Minnesangs. Wie eine Prin-
zessin tritt die hl. Katharina heran. Orangen-
bäume, aus deren Zweige kleine Seraphine wie
liebliche Blüten herausschauen, geben dem
Bild einen lyrischen Einschlag. Die Gewänder
fließen in weichen, melodischen Kurven herab,
und zartgespitzte Finger zeugen von der Scheu
vor irdischer Berührung.

Als bald darnach in der herberen Struktur
der toskanischen Landschaft, in der immer
machtvoller anstrebenden Hauptstadt Florenz,
die Wirklichkeit und die Kraft des unmittelbar
gegenwärtigen Lebens auch in die Darstellung
der religiösen Bilder eingezogen war, durch jene
großen Meister, wie Masaccio, Filippo Lippi,
Castagno und Uccello, bemächtigte sich des
künstlerischen Gefühls ein lebhafter Drang nach
plastischen, greifbaren Gebilden. Für dieses

XXVI. April 1923. 3
 
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