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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Kurth, W.: Gemälde der italienischen Renaissance im Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0038

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und das wagerechte Barett im Gegensatz dazu
steht und seinerseits wieder mit den Wolken
zusammengeht, ist von einer klugen Ökonomie,
die die Wirkung der Mittel genau berechnet.

Auch das kleine Mädchen von Tizian (Abb.
S. 38) hat die neue freie Menschlichkeit dieser
großen Zeit. Ihr leises Erschrecken beim Ein-
tritt eines Anderen, der ihre heimliche Liebe zu
ihrem Hündchen stört, während sie sich bat ver-
leiten lassen, für ihren Liebling eine Brezel zu
naschen, bringt einen lebhaften dramatischen
Moment in das Bildnis hinein, den der große
Venetianer besonders in späterer Zeit gern an-
gewandt hat. So ist sein Selbstportrait (Abb.
S. 22) ganz von jener leidenschaftlichen Kraft
durchflössen, die seiner Kunst und seiner Palette
ihren Feuerzauber einblies. Wie in einem inner-
lich ungeduldigen Sprechen trommeln die Finger

auf dem Tisch. Ein heißes glühendes Tempe-
rament blieb auch noch dem Neunzigjährigen
als ein köstliches Naturgeschenk. Seine Schule
hat diese lebhafte Dramatik in den Werken
Jacopo Tintotetto's, der uns heute als einer der
ganz Großen gilt, noch gesteigert. Die Ver-
kündigung der Botschaft des Engels an Maria
ist wohl kaum je in solchem Sturmgebraus vor-
getragen worden, sodaß das erschreckte Auf-
fahren der Maria verständlich wird.

Auch von der lang vergessenen italienischen
Barockkunst, dem Stil des 17. Jahrhunderts,
besitzt das Museum einige treffliche Proben.
Das schöne Bild von Michelangelo Caravaggio
(Abb. S. 30) weist deutlich auf ein neues ein-
faches Naturgefühl hin, auf eine intimere Psy-
chologie, die der hohen geistigen Idealität der
Hochrenaissance fremd war.......w. kurth.
 
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