Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

DOI Artikel:
Heckel, Karl: Ausdruckskunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0056

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Alisdruckskunst.

HEINR. STRAUMER- BERLIN.

»KAMINPLATZ IN DER DIELE«

nur der allein wird den Zusammenhang der Be-
griffe Paradies und Leben ahnen können.

Ob dieser Zustand später wiederkehrt, das
hängt davon ab, ob uns in dem Maße Konzen-
tration des Bewußtseins auf ein einziges Ziel
möglich wird, so daß neben ihm alles für die
Erkenntnis verschwindet und wir uns gleichsam
in eine Sphäre versetzt fühlen, die fernab liegt
von aller greifbaren Umwelt. Dann, wenn nur
noch unsere Selbstbesinnung waltet, kommt
unser Innenleben mit so starker Natürlichkeit
schöpferisch zum Ausdruck, daß wir in der Tat
uns unabhängig dünken von Raum, Zeit und
Kausalität, um einzig aus eigenem Quell zu
schöpfen. Dann entscheidet nicht mehr, wie
beim Impressionismus das Sehen, sondern einzig
und allein — das Schauen. Dann kommt unser
Schaffen als Ausdruckskunst in der Tat dem
Produzieren der Natur am nächsten, dann
schweigt jede Frage nach Zweck, Absicht ver-
standesmäßiger Deutung und Planmäßigkeit,
denn nun gestaltet von Innen heraus unser un-
bewußtes Sein. Das dies möglich sei, hängt
allerdings weiterhin von einer Voraussetzung

ab, die nicht in den Vergleich mit der Natur
fällt und noch weniger an die Idylle des Para-
dieses decken läßt. Diese Voraussetzung ist
das innere Erlebnis, das nicht von der Vor-
stellung des Leids zu trennen ist. Nur aus dem
Leid ersteht die Kraft des Wachstums, nur aus
dem Leid wird die Kunst geboren, um eben
dieses Leid zu überwinden. Immer entstammt
echte Kunst der Sehnsucht des Menschen zu
sich selbst zu gelangen und dem Verlangen, im
Besitz dieses Selbst, sich mitzuteilen. Durch
die Kunst will der Mensch das zum Ausdruck
bringen, was nicht in das verstandesmäßige Be-
wußtsein übergeht, sondern unerlöst aus ge-
heimnisvollem Dunkel nach unmittelbarer Ver-
sichtbarung strebt.

Das gilt nicht nur vom Menschen als Einzel-
heit, sondern auch insofern als er Glied eines
Ganzen ist und uns im Mythos die Verkörpe-
rung kosmischer Kräfte ahnen läßt. Es liegt
uns fern, nur dort von unmittelbarer Ausdrucks-
kunst zu sprechen, wo ihren Darbietungen meta-
physische Ideen zugrunde liegen; denn die
Ehrfurcht vor dem Ewigen, die Liebe zum

48
 
Annotationen