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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Vetter, Adolf: 20 Jahre "Wiener Werkstätte": (1903 bis 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0095

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WIENER WERKSTATTE WIEN.

»STEHLAMPENe DAG. PECHE.

20 JAHRE „WIENER WERKSTÄTTE".

(1903 bis 1923.)

Die paar Männer, die am 1. Mai 1903 die
„Wiener Werkstätte" gründeten, wollten
mehr als bloß gute preiswerte Dinge hervor-
bringen und ihnen einen ertragreichen Absatz
sichern. Hätten sie nur das gewollt und damit
Erfolg gehabt, so mag ihnen nun die Handels-
kammer zum 20 jährigen Bestand der Firma
Glück wünschen und der Bürger für die Stär-
kung seines Vertrauens in die gerechte Welt-
ordnung danken. Jene Männer wollten aber
mehr. Wenn jedoch dieses mehr darin bestan-
den hätte, daß sie sich bemühten, die Dinge,
die ihre Werkstatt verlassen, recht geschmack-
voll und gediegen zu machen, so wäre ihr Be-
stand-Fest auch nur die Angelegenheit eines
weiteren geschäftlichen Familienkreises, eine
Art von Versöhnungspause im allgemeinen
Widerstreit zwischen Produzenten- und Kon-
sumenten-Interessen. Aber noch Höheres oder
Tieferes und Reineres wollten die Begründer
der Wiener Werkstätte, etwas, was Können
beim Schaffen und Güte des Herzens voraus-
setzt: eineWeltanschauung wollten sie mit
vollem Bewußtsein in ihren Arbeiten bekennen

(eine andere natürlich als die herrschende) und
eine soziale Reform damit einleiten.

Das war ein gefährliches Beginnen. Denn,
kaufmännisch betrachtet, taten sie damit nichts
anderes, als die Gestehungskosten ihrer Er-
zeugnisse um einen Faktor vermehren, den die
„Konkurrenz" nicht zu kalkulieren brauchte.
Sie taten also gerade das Gegenteil von dem,
was kluge Fabrikanten sonst zu tun pflegen.
Und wenn sie, ohne sich untreu zu werden,
dennoch im Stande waren, zwanzig Jahre lang
ihre Unternehmung fortzuführen, ja sie auszu-
bauen und blühend zu erhalten, dann ist es von
allgemeiner Bedeutung zu wissen, worin ihre
andere Weltanschauung bestand und worauf
ihr sozialer Reformwille gerichtet war.

Sie sagten es selbst in einer Art von Mani-
fest, mit dem sie sich bald nach der Gründung
der Werkstätten an die Öffentlichkeit wandten:
„ ... das grenzenlose Unglück, das die schlechte
Massenproduktion und die gedankenlose Nach-
ahmung alter Stile auf kunstgewerblichem Ge-
biete verursacht hat, durchdringt die ganze Welt.
Wir haben den Anschluß an die Kultur unserer
 
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