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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 52.1923

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Michel, Wilhelm: Ausstellung "Deutsche Kunst 1923" Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9145#0196

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Ausstellung -»Deutsche Kunst ip2j« Darmstadt.

JOSEF EBERZ—MÜNCHEN.

»UMBRISCHE EBENE«

mehr handelt als um eine flüchtende Pseudo-
Idealität, scheint mir im Augenblick schwer zu
entscheiden, aber mindestens fraglich. Da ist
doch wohl eine Ruhe neben den Kämpfen,
eine Art Anachoretentum in einem geträumten
Umbrien, nicht ohne Wohllaut, nicht ohne Kräfte
der Ergriffenheit und Rührung, aber doch kein
wahres Vorwärtskommen in der entscheidenden
Richtung. Diese Harmonie ist zu herabgesetzten
Preisen erkauft. Sie ist die schäferliche Idylle
von Einsamen und fast von Deserteuren, sie hat
etwas sehr Privates und darum Ungültiges.

Daneben Otto Dix. Man kann nicht etwa
Dix gegen Mense und Schrimpf feindlich aus-
spielen und sagen: diese gelösten Linien und
klingenden Farben hier widerstreitenden gellen,
grellen Dingen dort so, daß beides sich gegen-
seitig ausschließt. Denn in jeder Zeit treifen
harte Gegensätze aufeinander, jede Zeit hat ihre
harte Realität und ihre holden Wunschträume,
und das eine wie das andre kann dem Künstler
zum Mittel seines Ausdrucks werden. Aber
für Dix spricht doch die Materialität seiner In-
halte, die er sich mit einer Art Ingrimm aus dem
Leben des Augenblicks, manchmal aus der
Gosse herausholt. Dix ist der verbissene Wille,
um keinen Preis zu lügen. Lieber Schlamm als
Gespensterei, lieber das Wilde und Grauen-

volle, das Wahnsinnige und Ekelhafte als irgend
eine Art von Schönfärberei. Seine Bilder schil-
dern eine wüste Realität. Sie knüpfen mit Ab-
sicht an die Meßbudenmalerei an, sie tragen
sich im Moritatenstil vor, sie sind viel eher
Illustrationen als Gemälde, aber sie schleppen
Leben, Dasein herbei und stellen es auf eine
schonungslose Weise zur Diskussion.

Die Kollektion Reinhold Ewald (Hanau)
zeigt endlich eine stärkere Regung und Aus-
breitung dieses Künstlers, einen Ansatz zur
Überwindung seiner Rationalität und zum Über-
gang vom Reden ins Bilden. Seewald hält
sich durchaus auf dem längst erreichten Stand,
nur daß seine Bilder an Trockenheit, seine Linie
an überheblicher Phrasenhaftigkeit vielleicht
zugenommen haben. Die hier als Beilage ge-
gebene Landschaft ist ohne Zweifel die beste
seiner in Darmstadt gezeigten Arbeiten. Auch
Pechstein ist eigentlich nicht weiter gekom-
men. Doch spricht immer wieder der Klang
seiner starken Farbe rein und kräftig an jedes
empfängliche Auge. Achmann erregt mit
graphisch gesehenen Bildnissen und Interieurs
Interesse. Otto M ü 11 e r spielt die Harfe seiner
feinen, übergrauten Farbenskala mit gewohntem
Reiz, und unverdrossen bläst sein Namensvetter
Felix seinen bald schnurrigen, bald recht lang-
 
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