PAUL BÖRNER.
NHUJ AHRS-
PLAKETTE DER
MANUFAKTUR-
MEISSEN.
PORZELLAN.
Im Porzellan sind die plastischen Eigenschaften
des Tons zur höchsten Steigerung getrieben.
Zwar schätzt die Allgemeinheit zunächst den
dünnen weißen Scherben, die Feuerfestigkeit,
die lebhafte Farbe, die reine Glasur. Alles
wertvolle Qualitäten des vielbegabten Stoffes.
Aber dem Künstler erleichtern sie die Arbeit
nicht. Es häufen sich nur die Probleme. Die
spiegelnde Glasur spinnt ein Netz von Lichtern
und Reflexen um die Form, sie hebt einzelne
Buckel, Spitzen und Rippen heraus, aber sie
löst auch die Tiefen auf. Skizzenhafte Andeu-
tung gibt es im Porzellan nicht, hier muß alles
präzis und erschöpfend gesagt sein — um dann
doch hinter einem Schleier von Lichtern und
Spiegelungen wieder unterzutauchen. So reiz-
voll dieser Kampf zwischen bestimmter Form
und zuckendem Licht sein mag, dem Bildner
liegt stets die Form am nächsten.
Was unsere Künstler offenbar am meisten
zum Porzellan hinzog, ist die hohe Bildsamkeit
des Kaolintons, die zu jeder Form, aber auch
zu jeder fähig ist. Nichts ist glatter als der
Teller aus Porzellan. Dasselbe Material kräu-
selt sich in Locken und Rankenwerk bis zur
Fadendünne. Er gibt die mächtige Wölbung
der Glocke wie das feinste Fingerspitzen spiel.
Jede Drehung, Überschneidung, Auflockerung
ist möglich. So wie die Form aus dem model-
lierenden Spiel der Hand hervorgeht, bleibt sie
stehen. Die Formbeständigkeit des Porzellans
ist außerordentlich. Das Blatt wird beim Bos-
sieren durch Schlicker an irgend einer Stelle
befestigt und es hält, hält auch während des
Brandes. In keinem andern Material ist es
darum möglich, in ähnlichem Grade die mo-
mentansten Zuckungen des Lebens festzuhal-
ten und zugleich zu versteinern. Das gab leider
auch den Weg zu einer Naturnachahmung frei,
die bis zur Auflösung jeder Form ging.
Wie steht heute das Porzellan in der Zeit?
Hat es eine Funktion in der Kultur, spiegelt es
den Rhythmus unseres Lebens? Oder dient es
nur buntem Schein und gefälliger Süßlichkeit?
Vieles, was heute den Porzellanofen verläßt,
hält ernster Kritik, die nach künstlerischen
Werten fragt, kaum Stand. Zu den glücklichen
Ausnahmen gehören die neuen Werke der
XXVI. August 1933. 4
NHUJ AHRS-
PLAKETTE DER
MANUFAKTUR-
MEISSEN.
PORZELLAN.
Im Porzellan sind die plastischen Eigenschaften
des Tons zur höchsten Steigerung getrieben.
Zwar schätzt die Allgemeinheit zunächst den
dünnen weißen Scherben, die Feuerfestigkeit,
die lebhafte Farbe, die reine Glasur. Alles
wertvolle Qualitäten des vielbegabten Stoffes.
Aber dem Künstler erleichtern sie die Arbeit
nicht. Es häufen sich nur die Probleme. Die
spiegelnde Glasur spinnt ein Netz von Lichtern
und Reflexen um die Form, sie hebt einzelne
Buckel, Spitzen und Rippen heraus, aber sie
löst auch die Tiefen auf. Skizzenhafte Andeu-
tung gibt es im Porzellan nicht, hier muß alles
präzis und erschöpfend gesagt sein — um dann
doch hinter einem Schleier von Lichtern und
Spiegelungen wieder unterzutauchen. So reiz-
voll dieser Kampf zwischen bestimmter Form
und zuckendem Licht sein mag, dem Bildner
liegt stets die Form am nächsten.
Was unsere Künstler offenbar am meisten
zum Porzellan hinzog, ist die hohe Bildsamkeit
des Kaolintons, die zu jeder Form, aber auch
zu jeder fähig ist. Nichts ist glatter als der
Teller aus Porzellan. Dasselbe Material kräu-
selt sich in Locken und Rankenwerk bis zur
Fadendünne. Er gibt die mächtige Wölbung
der Glocke wie das feinste Fingerspitzen spiel.
Jede Drehung, Überschneidung, Auflockerung
ist möglich. So wie die Form aus dem model-
lierenden Spiel der Hand hervorgeht, bleibt sie
stehen. Die Formbeständigkeit des Porzellans
ist außerordentlich. Das Blatt wird beim Bos-
sieren durch Schlicker an irgend einer Stelle
befestigt und es hält, hält auch während des
Brandes. In keinem andern Material ist es
darum möglich, in ähnlichem Grade die mo-
mentansten Zuckungen des Lebens festzuhal-
ten und zugleich zu versteinern. Das gab leider
auch den Weg zu einer Naturnachahmung frei,
die bis zur Auflösung jeder Form ging.
Wie steht heute das Porzellan in der Zeit?
Hat es eine Funktion in der Kultur, spiegelt es
den Rhythmus unseres Lebens? Oder dient es
nur buntem Schein und gefälliger Süßlichkeit?
Vieles, was heute den Porzellanofen verläßt,
hält ernster Kritik, die nach künstlerischen
Werten fragt, kaum Stand. Zu den glücklichen
Ausnahmen gehören die neuen Werke der
XXVI. August 1933. 4