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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Schwabacher, Sascha: Das Kino und die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0059

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Das Kino und die Kunst.

entw: ernst huber. albert Gl

der moderne Mensch, der an das rasche Tempo des Lebens
gewöhnt ist. Daß bestes Theater, daß ein Drama von
Shakespeare seiner ewigen Wirkungen weit über jegliche
Möglichkeit hinaus sicher ist, hat nichts mit dieser Kon-
statierung zu tun. Hier ist die Dichtung, die vom Theater
in ihre adäquate Form gerückt wird, das Wesentliche. Das
Gesellschaftsstück des Theaters ist aber selbst kunstwerk-
lich genommen eine nicht ganz reine Zwischenform aus
akustischem und optischem Ausdruck. Das Kino hat im
Gegensatz nicht nur den Vorzug reine Augenkunst zu
bieten (das tut auch die Pantomime des japanischen Thea-
ters). Es vermittelt visuellen Eindruck in nie dagewesener
Verdichtung, in je begehrter Auswahl, und hat dazu die
Fähigkeit, die dargebotenen Ereignisse in einer über die
gewohnte irdische Bindung weit hinausgehenden Steige-
rungen darzubieten.

Wir wollen uns hier nur mit den Möglichkeiten befassen,
die aus der technischen Form fließen, die metaphysische
Erhöhung der Kinokunst wird vorläufig auf der Leistung
(ebenfalls zeitlich-räumlicher Leistung) der großen Schau-
spieler beruhen. Langsam, aber deutlich sichtbar, enthüllt

der expressionistische Film, diese Aus-
geburt einer allzu gereinigten Phan-
tasie, nicht wirken. Das Kino ließ sich
hin und wieder zu Experimenten her-
bei. In seiner strotzenden Lebendig-
keit schied es aus, was ihm unbekömm-
hch war, und wuchs stürmisch weiter.
Es schuf seinen „Stil" aus Angebot und
Nachfrage, dieser vielgeschmähten,
aber sicheren Regulierung der mensch-
lichen Beziehungen. Der reine Ästhe-
tizismus versagte. Der Erfolg ward
den Männern der Praxis. Man mußte
das Kino fragen, was sind Deine ur-
eigensten Kräfte? Es gab die Antwort
olfen und ohne Hehl. Sein Lebens-
element ist die Wandlung des Räum-
lichen in der Zeit. Das Kino, das vom
Leben die Bewegung in einer nie da-
ßewesenenKonzentrierung übernimmt,
«t die dramatische Kraft an sich. Und
y°r dem Leben hat es den unschätz-
baren Vorzug (Kinofabrikanten lassen
*'ch ihn gut bezahlen), die leerlaufen-
den Bewegungsmomente ausschalten
Zu können. — Das Theater kann das
n|cht. Im Konversationsstück, während
der Schauspieler in langen Tiraden
seine Seelenzustände ausbreitet, er-
eignet sich fast nichts als die notwen-
dig unscharfe Begleitung des mimi-
schen Ausdrucks. Wenn nun Rede
oder Vers nicht von drängendem Ei-
ßenieben erfüllt sind, langweilt sich

<ung: ALBERT gunther-wien. »bucheinband«
 
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