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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Lotz, J.: Zur Krise der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0183

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bruno
paul.

ausf: zoo-
werkstätte

-BERLIN.

ZUR KRISE DER KUNST.

In der Geschichte der mitteleuropäischen Kunst
gibt es einen Zeitpunkt, der wohl schon im-
mer große Beachtung gefunden hat, dessen in-
nerster Sinn darum aber doch noch nicht ent-
rätselt ist. Es ist die Zeit, in der der archaische
Stil der sogenannten romanischen Zeit durch
eine Bewegung abgelöst wird, die stärkere
Naturwahrheit zu erreichen sucht. Dieser Zeit-
punkt ist keineswegs ein nur dieser Kunstent-
wicklung eigentümlicher, sondern wir finden ihn
in dem Ablauf anderer Kunstepochen wieder.
Jede kulturelle Völkergemeinschaft beginnt ihre
Kunstäußerungen mit primitiver, symbolischer
Ornamentik, die nichts weiter ist, als die Hand-
schrift ihres eigenen Wesens, eine Formwerdung
von Energien, eine Kraftentladung eines aktiven
künstlerischen Explosivstoffes, der in unmittel-
barem Zusammenhang mit den seelischen Kräf-
ten der Völker steht. Wenn Naturformen An-

regung gegeben haben, dann sicher nicht von
der formalen Seite her, sondern von einem sym-
bolisch-religiösen Gesichtspunkte aus. Diese
ornamentale Strömung hält sich weiter, als auch
mit dem Bedürfnis Götterbilder herzustellen
eine Art statuarische Kunst, wenn auch oft in
kleinen Dimensionen, erwächst, eine Plastik,
die sich fast geometrisch einfacher, kubischer
Formen bedient. Auch hier herrscht keinesfalls
die Absicht vor, Menschenleiber nachzubilden,
sondern es ist ein Neuschaflen unter dem Ge-
sichtspunkt einer ganz bestimmten Art, die Er-
scheinung des menschlichen Körpers zu fassen.
Man reduziert also nicht den Menschenkörper
in dem Abbild auf einen bestimmten Sinn —
das wäre unser heutiges „Stilisieren" — son-
dern der Ausdruck, etwa hoheitsvolles Sitzen,
stolzes Schweben, wird Form, ist schon kubisch
formal beim primitiven Künstler im Zustand

XXVII. Jnoi 1924. 7
 
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