Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Der Gegenstand in der Malerei, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0077

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MAURICE DE VLAM1NCK.

CKMAI.DE HAUS IM WALDE

DER GEGENSTAND IN DER MALEREI.

VON WILHELM MICHEL.

M"

[uß nicht die Frage des „ Gegenstandes" in
der Malerei von neuem aufgerollt wer-
den? Müssen wir nicht versuchen, die Lehr-
meinungen des Impressionismus über diesen
Punkt, die wir heute noch anerkennen, einer
Revision zu unterziehen?

Machen wir uns diesen einen Punkt vor allem
klar, daß der Expressionismus die Anschau-
ungen des Naturalismus und Impressionismus
über die Bedeutung des Objekts in der Kunst
fast uneingeschränkt übernommen hat. Nach
diesen Anschauungen ist der Gegenstand weiter
nichts als ein „Vorwand zum Malen". Ob eine
Madonna oder ein Kohlkopf, das macht nicht
den mindesten Unterschied. Der Gegenstand
ist gleichgültig. Ja, er ist nicht nur gleichgültig.
Hören wir Trübner: „Fragen wir nun ferner
den Laien, welche Art von Begebenheit sich für
die Darstellung besonders lohne, so sagt er:
Jeder interessante Moment aus dem Leben oder
der Geschichte und womöglich ein freudiger bis
zum Aufjauchzen, oder ein trauriger, der be-

trübt bis zum Tod, wie eine bekannte Maler-
größe einer vergangenen Periode gelehrt. Im
Gegensatz hierzu sagt der moderne Künstler:
Jeder Vorwurf ist interessant und selbst der
unbedeutendste bietet des Interessanten genug
für die Malerei, ja je einfacher der Gegenstand,
desto interessanter und vollendeter kann ich
ihn malerisch und koloristisch darstellen. Alles
kommt nur darauf an, wie ich es darstelle, und
nicht was ich darstelle." Klar geht daraus
hervor, daß es keine andre Beziehung des Ma-
lers zum Gegenstand geben soll als die, an dem
Objekt als an einer völlig leeren und belang-
losen Sache das Ich des Künstlers, sein Wie,
sein malerisches Können, die Tugenden seines
Pinsels und seines Auges zu demonstrieren.
Gefragt, worin die moderne Anschauung in der
Malerei beruhe, gibt Trübner zur Antwort:
Darin, „so gut als nur möglich zu malen, d. h.
das Kolorit auf der Basis vollendetster Zeich-
nung auf die höchste Stufe zu erheben und
alles übrige, bisher als Haupterfordernis Gel-

63
 
Annotationen