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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Michel, Wilhelm: Der Gegenstand in der Malerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0078

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Der Gegenstand in der Malerei.

MAURICE DE VLAMIXC K.

GALKR1E FLKCHTH81M,

-LANDSCHAFT MIT HÄUSER«

tende dagegen so weit zu vernachlässigen, als
es ein Hindernis wird, das der Erreichung des
höchsten Ziels der Malerei, der höchsten
koloristischen Qualität, im Wege steht".
Der Gegenstand ist also nicht nur gleichgültig.
Es besteht sogar ein Interesse daran, ihn so
unbedeutend, alltäglich, nichtssagend wie mög-
lich zu wählen, damit das Eigentliche, die De-
monstration des Maler-Ichs, vollkommen unge-
stört daran zum Vorschein komme. Ausdrück-
lich wird jedes andere Interesse am Gegen-
stand außer der Verlautbarung der Malerper-
sönlichkeit als der Kunstwirkung abträglich
verworfen und ausgeschlossen. Es ist gerade-
zu ein Prüfstein für die Erreichung der eigent-
lichen künstlerischen Absicht, „daß ein wei-
teres Interesse für Begebenheit und andere Zu-
fälligkeiten gar nicht daneben aufkommen kann."

Lassen wir die Frage nach der Richtigkeit
oder Unrichtigkeit dieser Anschauung zunächst
beiseite, so ergibt sich jedenfalls, daß das oben
geschilderte Verhältnis zum Gegenstand durch-
aus einem Zeitgeist entspricht, für den das ab-
getrennte, niedere Ich alles ist und dem die
Realität der Dinge langsam zwischen den Hän-
den zerfließt. Es ist durchaus der moderne

Mensch, der sich in dieser Anschauung spiegelt;
der Mensch, der ganz auf sein Ich gestellt ist;
der Mensch innerhalb einer ebenso sehr ent-
gotteten wie entmenschten Welt; der Mensch,
den kein innerer Strom mit den Dingen ver-
bindet; der Mensch, der keine klare Einsicht
in die Symbolik der Schöpfung und in das ge-
heiligte, sakramentale Wesen der Leiblichkeit,
Körperlichkeit, Dinglichkeit mehr besitzt. Es
muß hier außer Betracht bleiben, inwiefern die
hier besprochene Anschauung historisch einen
berechtigten Gegenschlag gegen eine sehr nie-
dere und leere Auffassung von der Würdigkeit
der Dingwelt bedeutet. Jedenfalls hat die künst-
lerische Entwicklung des letzten Jahrzehnts zu
einem Teile die bedenklichen Konsequenzen
jener Trübner'schen Anschauung zur Reife ge-
bracht. Die Welt, soweit sie in die Kunst ein-
tritt, hat in dieser Zeit immer mehr an Stoff-
lichkeit, Wirklichkeit, Dinglichkeit eingebüßt.
Für viele Künstler der expressionistischen Ge-
neration wurde sie ein Spielball exzentrischer
Ich-Launen. Sie wurde gespenstischund schreck-
haft, sie löste sich auf zu einem wüsten Chaos,
sie zeigte alle Zerrüttungserscheinungen eines
Gebäudes, in dessen Mauern das Bindemittel
 
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