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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Siemsen, Hans Peter: Maurice de Vlaminck
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0075

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MAURICE DE VLAMINCK.

LANDWEG« r..\L. FI.HCHTHKIM.

MAURICE DE VLAMINCK.

Vlaminck ist, wie wohl schon der Name sagt,
nicht Franzose, sondern Vlame, obwohl er
in Frankreich geboren und aufgewachsen ist.
Es ist deshalb nicht ganz richtig, ihn einen
französischen oder gar pariser Maler zu nennen.
Seine Malerei ist genau so viel und so wenig
französisch wie etwa die von Rudolf Levy, Purr-
mann, Großmann, die ihre Lehrjahre oder doch
deren wichtigsten Teil in Paris zubrachten.

Aufgabe und Leistung der französischen Ma-
lerei in den letzten hundert Jahren, vor allem
aber seit Cezanne, scheint es gewesen und noch
zu sein, neue Probleme der Malerei zu stellen
und zu lösen. Überlieferung und Fortführung
des Handwerks (den Begriff „Handwerk" so
weit und groß wie möglich genommen) — die
französische Malerei scheint diese Aufgabe für
alle übrigen Nationen lösen zu sollen.

Die moderne Malerei (in der ganzen Welt)
wäre undenkbar ohne die Arbeit von Cezanne,
Matisse, Picasso, Bracque (um nur ein paar
Namen zu nennen), ohne die Probleme, die sie
stellten und die sie lösten oder einer Lösung
nahe brachten. Es gibt keinen bedeutenden
französischen Maler der letzten fünfzig Jahre,

dessen Bedeutung nicht, ganz abgesehen von
seiner endlichen Leistung, in seinen Versuchen,
seinen Experimenten, in seinem Ringen um
eine neue Arbeitsweise läge, um eine neue
Lehre und Methode, um ein neues Handwerk,
um die Möglichkeit wieder malen zu können.

An dieser Arbeit ist Vlaminck nicht oder nur
unbedeutend beteiligt. Er hat die neu-errunge-
nen Lehren und Möglichkeiten erkannt, über-
nommen, sich zu eigen gemacht — und wendet
sie virtuos an. Er gehört nicht zu den Fran-
zosen. Aber er ist auch keineswegs ihr un-
selbständiger Nachahmer. Sondern ihr kluger
Schüler und Freund.

Wenn Vlaminck also kein Franzose ist, so
geht es doch auch nicht an, wie es häufig ge-
schieht, sein Werk der deutschen Malerei zu-
zuzählen. — Seiner Malerei fehlt das Kenn-
zeichen der neueren (nur der neueren?) deut-
schen Malerei: das Ringen — nicht um Pro-
bleme der Malerei — sondern um Probleme
der Seele. Er ist nicht tiefsinnig — wie jeder
deutsche Maler, der etwas auf sich hält. Er
will die Welt nicht bessern.
— Wenn man schon Verwandtschaften feststel-

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XXVII. Mai 1924. 1
 
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