DOI Artikel:
Einbeck, Hans Ch. von: Alexander Bertelsson
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0085
A. SERTELSSON— DRESDEN'.
( !■ M ILDE KU : II I 1 IV.'.E
ALEXANDER BERTELSSON.
Immer wenn eine künstlerische Zeitströmung
der ewigen Welle der Kunst abläuft, scheint
den Kunstfreund Hilf- und Ratlosigkeit zu er-
fassen. Er, der andere Auswirkungen der Be-
wegung erhofft hatte, muß enttäuscht erkennen,
daß sie im Sande versackt ist, und mit ihr jene
Allzuvielen und ihre Werke verschwinden, die
nunmehr klar als bloße Schleppenträger einer
Mode erkannt und eingeschätzt werden. Übrig-
geblieben sind endgültig nur einige wenige
Künstler von eigener Bedeutung, die mit der
Bewegung und ihrer schließlich verfolgten Rich-
tung und Zielsetzung letzten Endes nur noch
wenig zu tun hatten.
Erklärlich, daß heute wiederum der Kunst-
freund meint, die weitaus größere Mehrzahl der
deutschen Künstler warte nunmehr, angesichts
der ablaufenden Bewegung, in der sie standen,
darauf, in den Dienst einerneuen, der folgenden,
gestellt zu werden, die sie wiederum zu tragen
vermöchte wie jene. In der Tat, so wird es kom-
men mit den Allzuvielen, bis — die nächste
Kunstströmung wiederum versackt. Und so fort.
— Vergessen wir aber nicht, daß zu allen Zeiten
neben den künstlerischen Massenbewegungen,
welche die schwächere Mehrheit der Künstler
magnetisch an sich zieht, und zwischen und über
alle diese Massenbewegungen und Strömungen
hinaus, immer einige Künstlerpersönlichkeiten
wirken, die keiner geltenden Kunstrichtung die
Priorität vor dem frei und unmittelbar sich aus-
wirkenden Leben ihrer künstlerischen Eigenart
und Eigenkraft einräumen und unabhängig von
jeder Zeitkonvention ihr selbstschöpferisches
Eigenwerk vollbringen. Nur sie aber sind die
starken Künstler, auf die es schließlich an-
kommt I Ganz besonders bei uns in Deutschland!
Denn Deutschland ist, wie auf allen Gebieten
seines Lebens, nicht so sehr das Land der
Schulen und geschlossenen Bewegungen, das
Land eines Gesamttypus der Gleichmäßigkeit
und Uniformiertheit, die ausschließlich herrscht
(Frankreich, England, Ver. Staaten), als viel-
mehr das Land der Einzelgänger, der markanten
XxyH. Mai 1924. 2
( !■ M ILDE KU : II I 1 IV.'.E
ALEXANDER BERTELSSON.
Immer wenn eine künstlerische Zeitströmung
der ewigen Welle der Kunst abläuft, scheint
den Kunstfreund Hilf- und Ratlosigkeit zu er-
fassen. Er, der andere Auswirkungen der Be-
wegung erhofft hatte, muß enttäuscht erkennen,
daß sie im Sande versackt ist, und mit ihr jene
Allzuvielen und ihre Werke verschwinden, die
nunmehr klar als bloße Schleppenträger einer
Mode erkannt und eingeschätzt werden. Übrig-
geblieben sind endgültig nur einige wenige
Künstler von eigener Bedeutung, die mit der
Bewegung und ihrer schließlich verfolgten Rich-
tung und Zielsetzung letzten Endes nur noch
wenig zu tun hatten.
Erklärlich, daß heute wiederum der Kunst-
freund meint, die weitaus größere Mehrzahl der
deutschen Künstler warte nunmehr, angesichts
der ablaufenden Bewegung, in der sie standen,
darauf, in den Dienst einerneuen, der folgenden,
gestellt zu werden, die sie wiederum zu tragen
vermöchte wie jene. In der Tat, so wird es kom-
men mit den Allzuvielen, bis — die nächste
Kunstströmung wiederum versackt. Und so fort.
— Vergessen wir aber nicht, daß zu allen Zeiten
neben den künstlerischen Massenbewegungen,
welche die schwächere Mehrheit der Künstler
magnetisch an sich zieht, und zwischen und über
alle diese Massenbewegungen und Strömungen
hinaus, immer einige Künstlerpersönlichkeiten
wirken, die keiner geltenden Kunstrichtung die
Priorität vor dem frei und unmittelbar sich aus-
wirkenden Leben ihrer künstlerischen Eigenart
und Eigenkraft einräumen und unabhängig von
jeder Zeitkonvention ihr selbstschöpferisches
Eigenwerk vollbringen. Nur sie aber sind die
starken Künstler, auf die es schließlich an-
kommt I Ganz besonders bei uns in Deutschland!
Denn Deutschland ist, wie auf allen Gebieten
seines Lebens, nicht so sehr das Land der
Schulen und geschlossenen Bewegungen, das
Land eines Gesamttypus der Gleichmäßigkeit
und Uniformiertheit, die ausschließlich herrscht
(Frankreich, England, Ver. Staaten), als viel-
mehr das Land der Einzelgänger, der markanten
XxyH. Mai 1924. 2