Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten (54.1924)

Unsere Sturm- und Drangjahre.

ANGELA STADTHERR—WIEN.

»RI1TER« EISENBLECH. 1,70 i

fall, aber auch deren Kunst bedingt ein gewisses
Schaffen. Wir sehen heute schon klarer: es
war viel Prophetie dabei, unberechtigte, bloß
von Haß und Zersetzungstücke getriebene
Kritik, die sich nicht nur von der Natur ab-
wandle, sondern sie nicht kennen wollte:
Ekstase altjüdischer Heiliger und die großen
rundenAugen byzantinischer Madonnen, die ins
Ewigleere sehen wollen. Wenn sich deren Blicke
wieder ins Leben zurückfinden, werden sie eine
größere, tiefere, weitere Welt sehen und emp-
finden, als es der Impressionismus vermochte.
Daß auch nur eine künstlerische Erfahrung zu
Grunde oder verloren ging, ist bei der Kürze

der Zeit nicht zu fürchten. Rosenhagen weiß
selbst zu gut, daß Völker sich selbst immer
wieder finden. Der Ausbruch der Verzweiflung
und der Raserei, die wir erlebten, war etwas
Gesundes — nur wenn man die Ausbrüche des
Novembersturms in Permanenz erklärt, werden
sie lächerlich.

Wie sich die einzelnen Persönlichkeiten, die
damals führten, mit den veränderten psycho-
logischen und künstlerischen Bedingungen ab-
finden, ist schonheute eines derinteressantesten
Schauspiele. Es erinnert an das Eindringen des
Naturalismus in die Gotik. Werden wir diesmal
die Einheit finden ?.........walther unus.