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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Völkel, Alwin: Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0119

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KUNSTHAND WERK?

Mechanisierung als Wirtschaftsauffassung
und Kunsthandwerk als ideale Forde-
rung sind Gegensätze, die auch mit dem rein-
sten Wollen nicht zu vereinigen sind. — Die
Meisterlehre ist das Fundament für jedes
Handwerk, insbesondere fürs Kunst-Handwerk.

Von dieser aus steht dem Lehrling der Weg
ins Leben offen und auch zur Kunst. Die Wei-
terbildung auf der Kunstgewerbeschule soll zur
Vertiefung des Handwerks, bei der nötigen Be-
gabung zu einer Erhöhung desselben zur Kunst
führen, oder sollte es wenigstens tun.

Aber manche der Kunstgewerbeschulen heu-
tigen Schlages führt eher weg vom Handwerk;
sie ist ein Tummelplatz spekulativer Geister
geworden. — Auf den Jüngling läßt man ein
Heer von Entwerfern los, die gleichgültig, ob
mechanisierende oder handwerkliche Anlagen
bei ihm vorhanden sind, ihn alles mögliche
entwerfen lassen und ihn damit in eine heillose
Verwirrung bringen, sodaß er den Dingen nicht
mehr handwerklich schöpferisch, sondern spe-
kulativ rechnend gegenüber steht.

Müßte es nicht zu denken geben, daß von
den tausenden Kunstjüngern männlichen und
weiblichen Geschlechts kaum ein Dutzend in
leidliche Stellungen der Vervielfältigungs-In-
dustrie einrücken, während die meisten nach
und nach untergehen ?

Die Kunstgewerbeschule darf, um Kunst-
handwerker zu erziehen, keine mechanistischen
Tendenzen haben. Mechanisierende Anlagen
zu fördern, das verstehen technische Schulen
besser und gründlicher. Das Leben selbst
schleift übertriebenen Individualismus ab.

Dabei ist zu beachten, daß ein tüchtiger
Kunsthandwerker jederzeit im mechanistischen

Betrieb brauchbar sein wird; während ein spe-
kulativer Entwerfer sich fast nie ins Kunst-
handwerk zurückfindet.

Die wirtschaftliche Seite der Sache ist eben-
falls beachtenswert. Zahlreiche Meistersöhne,
denn diese sind vielfach die Besucher der Kunst-
gewerbeschulen, werden ihrem väterlichen Ge-
werbe entfremdet, gehen dem Kunsthandwerk
verloren und finden in den Vervielfältigungs-
industrien ihren Untergang.

Wir haben in Deutschland den prachtvollen
Handwerker-Typus der Vergangenheit, mit
Lederschurz und Lederkappe, es ist wohl kein
Zweifel, welchem unsere Liebe gilt, ob diesem
oder dem spekulativen Entwerfer, der seine
nervösen Hände nach den höchsten Diogen der
Kunst ausstreckt und bestenfalls in der Mittel-
mäßigkeit landet.

Das Interesse der Allgemeinheit und unsere
Sehnsucht nach dem Frühlung im Kunsthand-
werk bleiben sentimentale Geste, wenn die Er-
ziehung nicht der Fachbildung die erste Stelle
zuweist. Dann wird der so Erzogene nicht mehr
vor seinen Arbeitsstoff hintreten und sagen, was
kann ich dir aufprägen, sondern dieser wird
ihm die ganze Fülle seiner in ihm wohnenden
Kräfte als Geschenk geben, mehr als er bewäl-
tigen kann. Dann wird jeder Hammerschlag,
jeder Meißelhieb, jeder Federstrich ein Ausdruck
seiner selbst werden, und sofern er die religiösen
und sittlichen Ideen seiner Zeit erfaßt hat, wird
er ein Träger des Zeitstils werden, und alles
Umwerten der Vergangenheit wird aufhören,
er wird selbst schöpferisch. — Die große Ver-
ehrung für die Vergangenheit wird ihn bewah-
ren, aus seinen Worten und Werken gestanz-
tes Blech zu machen........ alwin völkel.
 
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