SAWELY SSORIN.
VON PAWEL HA.RCHAN.
Wenn man die kleine Galerie der Ssorin-
schen Porträts übersieht, wenn man weiß,
wie dieser Bildnismaler gesucht und begehrt
ist, wie er in den letzten Jahren hin- und her-
gezerrt wird zwischen Paris, London und New-
York, nachdem er durch eine Reihe berühmt
gewordener Porträts von Russinnen, meistens
Fürstinnen, zum Weltruhm gelangt; und wenn
man vollends ihn selbst kennen gelernt hat,
diese selbst für einen Russen exotische Erschei-
nung, einen Mann mit dichtem, glänzend schwar-
zem Haar, mit der olivenbraunen Haut, den
weichen, mandelförmigen, tiefdunkeln Augen,
der sonoren, gedämpften, baritonalen Russen-
stimme, die stark mondänisierte Bohemerschei-
nung — dann denkt man, einen geschmeidigen
Modemaler vor sich zu haben, einen Rou-
tinier, der auf seine wohlerprobte Hand sich
verläßt, auf seinem Ruhme schwimmt, an sei-
ner Manier Raubbau treibt, seine Produktion
zu einer Industrie steigert und im übrigen durch
die Salons sich schleifen läßt, um seine Be-
rühmtheit und Beliebtheit auszukosten.
— Nichts von alledem. Ssorin ist ein schwer
ringender Künstler, von steten Zweifeln ge-
quält, seine eignen Werke, wie anerkannt sie
auch sein mögen, immer wieder bemängelnd und
verwerfend, an jedes Werk, wie an ein neues
Problem mit neuem Eifer herangehend, um,
kaum es vollendend, mit schier hypochondraler
Ängstlichkeit sich um das Bild herumzudrücken.
Schon die Tatsache, daß Ssorin für ein Por-
trät, in ganzer Figur oder Kniestück, an die
sechzig Sitzungen je etliche Stunden verwendet,
dokumentiert am deutlichsten, mit welchem
geistigen, psychischen Verantwortlichkeitsge-
fühl er sein Werk erkämpft. Und dabei sind
seine Bildnisse eine kombinierte Technik von
Bleistift, Aquarell und Pastell.
Jedoch all seine Ängstlichkeit und all seine
Zweifel seinem eignen Werk gegenüber hindert
ihn nicht daran, daß er bisweilen während der
Arbeit in sein Bild sich verliebt, und auf das
Honorar verzichtend, das Porträt nicht hergibt.
Eine Reihe seiner besten Porträts sind auch in
seinem Besitz geblieben. Einige andere von
seinen schönsten Sachen sind während der
Revolution in Rußland verschollen.
XXV11. .Inni 1924. 1
VON PAWEL HA.RCHAN.
Wenn man die kleine Galerie der Ssorin-
schen Porträts übersieht, wenn man weiß,
wie dieser Bildnismaler gesucht und begehrt
ist, wie er in den letzten Jahren hin- und her-
gezerrt wird zwischen Paris, London und New-
York, nachdem er durch eine Reihe berühmt
gewordener Porträts von Russinnen, meistens
Fürstinnen, zum Weltruhm gelangt; und wenn
man vollends ihn selbst kennen gelernt hat,
diese selbst für einen Russen exotische Erschei-
nung, einen Mann mit dichtem, glänzend schwar-
zem Haar, mit der olivenbraunen Haut, den
weichen, mandelförmigen, tiefdunkeln Augen,
der sonoren, gedämpften, baritonalen Russen-
stimme, die stark mondänisierte Bohemerschei-
nung — dann denkt man, einen geschmeidigen
Modemaler vor sich zu haben, einen Rou-
tinier, der auf seine wohlerprobte Hand sich
verläßt, auf seinem Ruhme schwimmt, an sei-
ner Manier Raubbau treibt, seine Produktion
zu einer Industrie steigert und im übrigen durch
die Salons sich schleifen läßt, um seine Be-
rühmtheit und Beliebtheit auszukosten.
— Nichts von alledem. Ssorin ist ein schwer
ringender Künstler, von steten Zweifeln ge-
quält, seine eignen Werke, wie anerkannt sie
auch sein mögen, immer wieder bemängelnd und
verwerfend, an jedes Werk, wie an ein neues
Problem mit neuem Eifer herangehend, um,
kaum es vollendend, mit schier hypochondraler
Ängstlichkeit sich um das Bild herumzudrücken.
Schon die Tatsache, daß Ssorin für ein Por-
trät, in ganzer Figur oder Kniestück, an die
sechzig Sitzungen je etliche Stunden verwendet,
dokumentiert am deutlichsten, mit welchem
geistigen, psychischen Verantwortlichkeitsge-
fühl er sein Werk erkämpft. Und dabei sind
seine Bildnisse eine kombinierte Technik von
Bleistift, Aquarell und Pastell.
Jedoch all seine Ängstlichkeit und all seine
Zweifel seinem eignen Werk gegenüber hindert
ihn nicht daran, daß er bisweilen während der
Arbeit in sein Bild sich verliebt, und auf das
Honorar verzichtend, das Porträt nicht hergibt.
Eine Reihe seiner besten Porträts sind auch in
seinem Besitz geblieben. Einige andere von
seinen schönsten Sachen sind während der
Revolution in Rußland verschollen.
XXV11. .Inni 1924. 1