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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Rohde, Alfred: Die Staatliche Kunstgewerbe-Schule zu Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0153

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DIE STAATLICHE KUNSTGEWERBE-SCHULE
ZU HAMBURG.

In einem Stadtstaat wie Hamburg hat die Kunst-
gewerbeschule eine besondere eigenartige
Bedeutung, die Veranlassung genug sein sollte
ihr zu einem Namen zu verhelfen, der geeigneter
ist, ihre Aufgaben zu umreißen. Die Kräfte, die
die Schule seit über 25 Jahren dem Gemein-
wesen zugeführt hat, haben gestaltenden Einfluß
auf das ganze Stadtbild gewonnen. Sie sind
zu spüren im Reklamewesen, in der Architektur,
im Schiffsbau, die äußerlich mehr hervortreten,
ebenso wie in kleineren wirtschaftlichen Be-
trieben besonders der Textilbranche und des
Goldschmiedehandwerks. Daneben wirkt die
Schule geschmacklich richtunggebend, ange-
fangen bei den Kindern, die hier zusammen-
kommen um sich ihr Spielzeug selbst herzu-
stellen, bis in die größere Masse der Mitbürger
hinein, die wärmstes Interesse an den Arbeiten
der Kunstgewerbeschule nehmen. So strömen
reiche Anregungen von hier aus in das künst-
lerische und gewerbliche Leben der Stadt.

Die Gliederung der Anstalt verrät Hochschul-
charakter. Zu der Leitung des Lehrers gesellt
sich die persönliche Initiative des Schülers, der
eigene Wünsche und Absichten in die Tat um-
setzen kann. Er wird dazu angehalten, daß der
Entwurf am Anfang steht, der Entwurf für einen
bestimmten Zweck (Zweckgedanke), für ein be-
stimmtes Material (Materialstil), und er lernt,
daß erst auf die Festlegung des Entwurfes die
Studie folgt, die in Einzelheiten zeichnerischer
oder auch technischer Art — immer mit dem
Entwurf vor Augen — sich vertieft.

Der Gedanke der Zusammenfassung aller
künstlerischen Kräfte zwingt, die Grenzen soweit
wie möglich zu stecken, das Programm nicht
einzuengen. Die Schaffung allgemeiner Abtei-
lungen geht daher von dem Gedanken aus, den
Schüler zu einer Auseinandersetzung mit dem
Stoff anzuleiten, sei dieser nun ganz allgemein
die Natur oder schon bestimmter Werkstoff.
Da melden sich die Formgesetze, die sich bald
zum Formgefühl im Schaffenden verkörpern
müssen, und die die Grundlage der Schaffens-
tätigkeit überhaupt sind. In diesem Prozeß gilt
es das Widerstrebende, Sich-Entgegenstellende
sich Untertan zu machen, um dadurch schließlich
die Form zu beherrschen. Die Freiheit, die
hierbei dem Schüler überlassen ist, ermöglicht
es sehr schnell, ihn zu einer ihm eigenen Ge-
staltung zu bringen. Dabei wird schon hier der
Kontakt mit dem Hersteller freigestellt, schon

hier kann dieser Kontakt ja erzieherisch wirken,
handelt es sich doch immer um Ausbildung von
Kräften, die später in das Erwerbsleben ein-
geschaltet werden sollen.

Was in den allgemeinen Abteilungen vor-
bereitet ist, wird in den Fachklassen vertieft.
Die allgemeinen Grundsätze haben auch hier
absolute Geltung. Die Fachklassen umfassen
daher das ganze Gebiet der freien und ange-
wandten Kunst. An ihrer Spitze steht die Ar-
chitektur, die zugleich das Verständnis für die
künstlerischen Lebensbedingungen der der Ar-
chitektur helfenden und dienenden Künste ver-
mitteln soll, ihr unmittelbar schließt sich die
Gartengestaltung an: denn „Gartengestaltung
ist Architektur", auch die Wandmalerei setzt
ihre künstlerischen Absichten fort. Es folgen
die Klassen für Plastik, Graphische Kunst und
Allgemeines Kunstgewerbe, Raumkunst, deko-
rative und Glasmalerei, Textilkunst. Die Fach-
klassen ihrerseits sind verbunden mit einer
großen Anzahl von Weikstätten, in denen der
angehende Kunsthandwerker praktisch am
Werkstoff arbeitet, so die Schmiedewerkstatt,
die keramische Werkstatt, die Buchbinderei u. a.

Künstlerischer Schaffensgeist und leiden-
schaftlicher Arbeitswille werden dokumentiert
durch häufig stattfindende Ausstellungen der
Schülerarbeiten, deren vorzüglicher Eindruck
gehoben wird durch die räumliche Umgebung,
deren Wirkung besonders im Erdgeschoß sich
niemand entziehen kann. Hier klingt der ganze
Rahmen eines Gebäudes mit, um das die Ham-
burger Kunstgewerbeschule nicht ohne Grund
vielfach beneidet wird.

Letztes Zeugnis des künstlerisch schaffenden
Geistes war die Ausstellung der Hamburger
Kunstgewerbeschule, der unsere Bilder ent-
nommen sind. Sie zeigte, wie hier alle Mittel
eingesetzt sind, um allen Widerständen zum
Trotz eine auf äußerste Sparsamkeit eingestellte
Zeit zu meistern, eine Zeit, die aber Gottlob,
und darin liegt ein erfreulicher und produktiver
Optimismus, nicht auf das Nützliche allein ein-
gestellt ist, sondern die auch das Schöne nicht
entbehren will und dieses Schöne gilt es zu
fördern. Goethe hat an Modernität heute nichts
verloren: „Das Nützliche befördert sich selbst,
denn die Menge bringt es hervor, und alle kön-
nen es nicht entbehren; das Schöne muß be-
fördert werden, denn wenige stellen es dar und
viele bedürfen es". . . . alfred rohde-hamhurg.
 
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