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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Unus, Walther: Die Bedeutung der Berliner Kunstschul-Kämpfe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0172

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Die Bedeutung der Berliner Kunstschul-Kämpfe.

kein Ende findet oder aber dekretiert und vor-
beitrifft, was ebenso schlimm ist. Man wirft
den Akademien vor, sie seien bloß auf die Er-
ziehung von Genies eingerichtet und hätten
ihre Aufgabe „diesbezüglich" schlecht erfüllt.
Man will ihnen deshalb eine Art Vorschule vor-
lagern, wie bei den Gymnasien, und nur die
Genies zulassen. Die jungen Michelangelos
und Cornehusse sollen also in Zukunft ein paar
Jahre lang Dosen drechseln und Stickmuster
entwerfen. Das ist sozial sehr freundlich ge-
dacht: Handwerk hat einen goldenen Boden,
aber Genies werden sich darin bestimmt nicht
offenbaren, auch für den scharfsichtigsten Leh-
rer nicht. Der gesunde Kern, der in diesem
Programm steckt, hat nur eine Verwirklich-
ungsmöglichkeit, die gleichzeitig die Absolvie-
rung von Vorbereitungsklassen handwerklicher
Art in sich schließt: man nehme die Schüler so
jung wie nur irgend möglich auf. Dann ist Zeit
genug für die Farbenreiberjahre der alten Werk-

stätten, während welcher man ihnen auch noch
ein gediegenes Kunsthandwerk beibringen kann.
Kommen die jungen Leute aus guten Familien
aber erst nach dem Abitur, den Kopf voll von
Kunstgeschichte und „Bildung", — nun, dann
prüfe man die Stärke ihrer Kunstinstinkte und
nehme sie auf eigene Gefahr gleich in die Hoch-
schule. Im allgemeinen pflegt sich die Be-
gabung für die Künste ja erfreulich früh zu
äußern, wenn auch nicht ganz so früh, wie die
für Musik. Ob sie für ein Leben ausreicht, das
kann kein Mensch wissen; — auch Rembrandt
kam aus der Mode und war wirtschaftlich längst
deklassiert, als er noch immer Werke schuf, die
wir heute unsterblich nennen. Und andrer-
seits sehn wir noch jeden Tag manchen, der
sich künstlerisch längst ausgegeben hat, üppige
Gelder verdienen. Far bene, si, far troppo
bene, no. Darum wollen wir das Mögliche
wohl bedenken, aber alle Zufälle der Zukunft
kann niemand übersehn.....walthkr unus.

LILLI VETTER. WANDTEPPICH »NOLI ME TANGERE«
 
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