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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Kehrer, Hugo: Francisco de Zurbarán
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Francisco de Zurbardn.

kannt." Er trat noch einmal als Bildschätzer
in Madrid auf; 1664 hat er sich zum Sterben
gelegt, 66 jährig, er hat unter den großen spani-
schen Barockmalern das höchste Alter erreicht.

Zurbarän stemmte sich von Anfang an gegen
die Massigkeit des italienischen und vlämischen
Barock. Er zog es vor, durch nur wenige Fi-
guren zu sprechen uad die Einzelgestalt mög-
lichst monumental zu entwickeln; wie kaum
ein zweiter Spanier trug er den Begriff des
Monumentalen in sich. Seine Helden erscheinen
einzeln auf der Bühne wie plastisch geformte
Einakter von strenger Geistigkeit; er liebt nicht
Orchester und Chor, sein Herz gehört dem So-
listen. Er hat sein ganzes Leben lang gemeint,
eine Gestalt allein müsse vollkommen genügen,
ein Bild zu füllen, vorausgesetzt, daß die Er-
scheinung groß empfunden sei. Eine jede seiner
Figuren drückt nur ein Sein, eine Existenz und
kein Handeln aus, stellt sich nur selbst dar, hat
ihr Maß in sich und ist von statuarischem Da-
sein erfüllt. Die Einzelgestalt Zurbaräns wirkt
oftmals wie ein Denkmal, sie trägt den Cha-
rakter der Notwendigkeit oder, was dasselbe
ist, den der Einfachheit in sich, und Einfachheit
ist ja nach dem Urteile von vielen das Höchste
und Schönste, was man von einem Kunstwerk
aussagen darf. Dabei muß man sich aber ver-
gegenwärtigen, daß die Größe der Leinwand
nicht zum Monumentalstil gehört, daß man
selbst in dem kleinsten Staffeleibild vollendet
Monumentalität geben kann I

Wer ein gesundes, künstlerisches Empfinden
hat, muß an den Bildern Zurbaräns seine Freude
haben. Viel Sachlichkeit, nichts Flüchtiges,
alles ist sorgsam und tief durchdacht. Es gibt
im Kaiser Friedrich-Museum in Berlin ein uns
allen wohlbekanntes Bild,*) das zeigt, wie der
Heilige Bonaventura den Thomas Aquinas be-
sucht. Man braucht nicht einmal die Geschichte
zu kennen, um ihren vollen Sinn zu begreifen,
so klar breitet sich alles vor uns aus. Es ließe
sich gewiß der Inhalt mit viel mehr Aufwand,
mit größerer Theatrahk wiedergeben, aber Zur-
barän ist als Spanier der deklamatorischen Geste
abgeneigt. Die schlichte Gefühlsäußerung in
Verbindung mit der Schlagkraft der Erzählung
macht dieses Bild in seiner Art zu einem klas-
sischen. Zurbarän ist der Meister der großen
und einfachen Worte. Wie undenkbar wäre
solch ein Werk auf dem Boden des italienischen
Barock I Nicht zu vergessen, die Stille im Bild
ist von der Art, daß sie kaum überboten wer-
den kann. Pietro Galesini erzählt uns in den
Acta Sanctorum, wie Thomas Aquinas einmal
den Theologieprofessor der Pariser-Universität,

*) Vergl. H. Kehrer, S. 47 u. 48, Abb. 14.

Bonaventura, besucht und gebeten habe, ihm
seine Bücher zu nennen, damit auch er die
Werke sich anschaffen könne, aus denen er
seine so vielseitige Wissensfülle schöpfe. Da
habe ihm Bonaventura nur das Bild des Ge-
kreuzigten mit dem Bemerken gezeigt, er sei
der ausgiebigste Quell aller Gnaden für das,
was er gelesen und geschrieben. Das also ist
der Inhalt, den Zurbarän so sicher und einfach
wiedergegeben hat. Dieses Werk gehört zu
einem großen, in europäischen Städten zer-
streuten Zyklus. Fast in jedem Bilde dieser
Serie zeigt sich uns der Meister von neuem als
den Schöpfer des geistlichen Charakterkopfes.
Was er hier an Porträtabwechslung geleistet,
verdient unsere höchste Anerkennung, es gibt
auch nicht zwei Köpfe, die sich gleichen.

Kaum aber hat Zurbarän einen Zyklus be-
endet, so sehnt er sich wieder nach der Einzel-
figur zurück. Sie sucht er im Verlaufe seines
Lebens immer mehr geistig zu vertiefen und ihr
ein reiches, individuelles Gepräge zu geben.
Stets bringt er hohen sittlichen und religiösen
Ernst. Wir treten ein in die stille Welt der
spanischen Heiligen; Mönche, deren Namen
fast nie an unser Ohr gedrungen sind, stehen
vor uns wie in einer königlichen Ahnengalerie,
stehen vor uns lebensgroß, in einer fast star-
ren Selbstvergessenheit. Mächtige Folianten,
Kelche, das Kruzifix, ihre Attribute halten
sie in der Hand, sie lesen oder murmeln feier-
lich ihre lateinischen Gebete. Manche haben
einen furchtbaren Ernst im Ausdruck, und das
Zusammengehaltene der Stimmung setzt uns in
tiefes, frommes Staunen. Die Welt Zurbaräns
ist eine Welt für sich, und der nordisch-germa-
nische Mensch braucht Zeit, um mit ihr in in-
nere Fühlung zu kommen.

Zurbarän liebt die stehende Figur über alles,
aber daß er auch mit der sitzenden Gestalt einen
großen, monumentalen Stil erreichen kann, zeigt
der lesende Kartäuser-Mönch (Abb. S. 174).
Hier sagt der Meister, daß die stärkste Ver-
einfachung den größten monumentalen Stil er-
zeugt. Was ist das für ein breites Sitzen in der
Diagonale, was ist das für eine Ökonomie in
der Verteilung der Licht- und Schattenmassen!
„Wie ein in Stein gehauenes Denkmal wirkt
der lesende Mönch der Kartause". Und dieses
Weiß der Kutte — schneeig-silbrig — ist so,
daß es sich lohnte, allein über diese Farbe einen
ästhetischen Essay zu verfassen. Vergessen
wir aber nicht über dem formalen den psy-
chologischen Gehalt! Zurbarän malt die spa-
nisch fanatische Glut, malt die harte Bereit-
schaft zur Aktivität, zum Kampf, zum Kampf
gegen den Andersgläubigen, in dem Spanien
 
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