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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Kehrer, Hugo: Francisco de Zurbarán
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0194

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Francisco de Zurbarän.

groß geworden ist und schließlich gesiegt hat.
— Jedoch Zurbaräcs Absicht aufs Monumen-
tale erchöpft sich nicht in der Darstellung der
männlichen Heiligen, auch für die weiblichen
bekundet er Interesse, wenngleich es sich an-
ders äußert. Ohne Zweifel bringt er den hei-
ligen Frauen nicht die gleiche Ehrfurcht ent-
gegen und kümmert sich weniger um ihre eigent-
liche, ihr Lebenswerk krönende Geschichte.
Wir erleben das merkwürdige Schauspiel, wie
der sachliche, ernsthafte, allzu ernsthafte Mei-
ster auf einmal nun zum Modemaler wird. Statt
frommer Glaubensheldinnen stehen spanische
Damen der guten Gesellschaft vor uns, sevil-
lanisch-lässige Gestalten von herb-sinnlichem
Reiz und von einer fast leblosen Grazie. Reich
ist der bunte Aufputz, die Lippen und Wangen
sind geschminkt, fein gestrichene Brauen, und
die Augen sind gar „wundersam schön und
zart". Bei ihnen allein zeigt Zurbarän ein
außerordentliches Interesse für die Kleidung,
und ganz im Gegensatze zu dem malerischen
Stile des Barock hat er hier das Kostüm mit
der größten Sorgfalt linear behandelt und jede
Flüchtigkeit streng vermieden. Feierlich schrei-
tet die heilige Elisabeth an uns vorbei (Abb.
S. 178), ihr schweres Seidengewand ist fast wie
erstarrt. Die heilige Magdalena, einfacher im
Kostüm, mit dem Salbgefäße in der einen
Hand, ein riesiges Wolltuch in der anderen,
ist auf dem Wege zum Herrn, ihm die Füße
zu salben (Abb. S. 179).

Nach der Jahrhundertmitte endlich sind jene
bedeutenden Darstellungen mit dem heiligen
Franz von Assisi entstanden. Da spürt man die
spanische Glut, die spanische Kraft der Ekstase
und den visionären Geist. Mit der ruhigen
Meditation des Heiligen setzt Zurbarän ein. Als
echten Kapuziner mit Bart und fester Kapuze
sehen wir den Frommen von Assisi in dem

Londoner Bilde (Abb. S. 182). Er hat den Toten-
schädel, das Symbol der Vergänglichkeit, in den
gefalteten Händen. Einsam ist seine Zelle. Man
müßte sich mit der Phantasie ausmalen, wie
dieser Mönch qualvolle Nächte niederdrücken-
der Sündenschuld verbracht hat. Die Dring-
lichkeit der schweren, betenden Hände gibt
der Glut der Empfindung eine starke Resonanz.
Auch dieser Mönch, kerzengerade aufgerichtet,
wirkt völlig monumental. Beide Augen ruhen
im Schatten, der einen neuen Ausdruckswert
bekommen hat.

Im Franziskaner-Habit erscheint dann der
Heilige von Assisi in dem berühmten Bilde in
Lyon (Abb. S. 181). Spanisch streng, ganz ein-
fach ist dieser braunkuttige Mönch gemalt;
frontal und überlebensgroß steht er da, ja
schwebt vor grauem Grunde, ein warmes Licht
umgießt die Gestalt. Die röhrenförmige Kutte
verdeckt völlig die Füße. Eng umschlossen ist
das Gesicht von der Kapuze, so stählern-hart
wie ein Sturmhelm liegt sie auf Kopf und Schul-
tern. Alle körperliche Existenz scheint ent-
kräftet, verneint und aufgelöst; alles Fleisch ist
mortifiziert. Der Heilige ist in andächtiger Ver-
zückung, als ob er tausend nie gehörte Melo-
dien des Todes auf einmal vernähmet Er ist
von einem heftigen Schauer der Liebe ergriffen,
und seine brennende Sehnsucht schreit nach
der Gottheit. Aber denGott, den er mit glühend-
ster Leidenschaft liebt, sieht er mit zerrissenem
Herzen, nicht im stillen Glänze der Verklärung,
über sich: „Wer Gott schaut, der stirbt!"
Könnte irgend ein Spanier, irgend ein Maler
der Welt sich selbst verzehrende Mönchsliebe
besser verkörpern? Man sieht, wo Spaniens,
wo Zurbaräns eigentliche Kraft und Sonderheit
liegt. Dieser Heilige von Lyon ist eine der
höchsten Olfenbarungen spanischer Mönchs-
kunst überhaupt..............h. k.

SEELISCHE SCHÖNHEIT.

Die Schönheit ist vorzüglich bellezza d'animo,
so spricht Firenzuola die Ansicht der
Renaissance aus; allein, da die bellezza d'animo
unter dem Schleier dieses Körpers verborgen
liegt, so bedient sie sich des Mittels, sich einen
Führer zu nehmen, der zu ihrer Kenntnis führe,
und da kann sie keinen bessern finden, als die
bellezza del corpo, weil dieser unser Körper
ein Instrument ist, mit welchem der Geist, so
lange er auf Erden weilt, alle seine Operationen
ausführt. Der Körper als Werkzeug des Geistes
— es ist der Geist, der sich den Körper baut.
Es gilt keine Form und Erscheinung echter

Schönheit, die nicht aus der Wurzel seelischer
Schönheit erblühte. Mag ein Mensch von Natur
noch so stiefmütterlich bedacht sein, ein Blick,
ein Lächeln, ein Erröten, ein Wort, eine Be-
wegung wird die Schönheit seiner Seele offen-
baren, und wie die Sonne selbst die kümmer-
lichsten Dinge vergoldet, so wird diese Schön-
heit seine Züge durchleuchten, adeln und ver-
klären. Das Ideal körperlicher Schönheit, das
die Kulturvölker ausbildeten, war nichts ande-
res, als die bis in das einzelne durchgeführte
sinnliche Verkörperung des ihnen vorschweben-
den Ideals seelischer Schönheit, alb. dresdner.
 
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