Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

DOI article:
Sacharow, Alexander: Gedanken über den Tanz
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0225

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Gedanken über den Tanz

CLOTILDE

SACHAROW.

MAIENTANZ

Was die Beziehung unserer Tänze zur Musik
betrifft, so müssen wir auf diesem Gebiet eine
Reihe von Mißverständnissen feststellen.

Einige Kritiker haben erklärt, daß wir die
Musik illustrieren, das ist ein Mißverständnis,
auf eine Wahrheit gepfropft.

Daß wir außergewöhnlich musikalisch seien,
darin kommen alle überein, und es gab bis jetzt
noch keinen Widerspruch dagegen, aber diese
Tatsache ist es wohl, die das Mißverständnis
veranlaßt hat, von dem wir sprachen; denn
vor allem ist das Ziel, das wir zu erreichen
streben und das vorläufig noch als idealer
Wunsch erscheint, der Tanz ohne Musik.

Bei unseren ersten Arbeiten (man könnte
von Laboratoriums-Arbeit sprechen) haben wir
ohne Musik getanzt. Aber wir haben uns schnell
davon überzeugt, daß der Augenblick dafür
noch nicht gekommen ist. Die Atmosphäre,
die dieseTänze umgibt, wurde zuundurchsichtig,
das Zusammenspiel zu kompliziert, sowohl für
den Zuschauer, wie für den Künstler. Aber wir
haben die Überzeugung, daß man zu diesem
Standpunkt gelangen kann und muß.

Der Tanz ohne Musik ist das Endziel, auf
das wir hinsteuern und wir werden dies Ziel
erreichen, nachdem wir durch unermüdliche und
ernste Arbeit alle Schwierigkeiten überwunden

haben, die dem im Wege stehen. Die Musik,
die jetzt unsere Tänze begleitet, ist für uns
nur eine, sozusagen vorübergehende Begleit-
erscheinung, sie existierte vor unserer Tanz-
kunst, war außerhalb von ihr geschrieben, und
wir haben sie nur benutzt, weil wir uns über-
zeugt haben, daß der Augenblick für einen Tanz
ohne Musik noch nicht gekommen ist. Obgleich
wir uns darüber klar sind, so hemmt sie doch
jedesmal die Freiheit unseres Schaffens, denn
der Hauptfehler dieser Musik besteht darin, daß
sie durch ihre ureigenste Konstruktion, und die
ihr eignen inneren Möglichkeiten unsere tän-
zerischen Schöpfungen beeinflußt, und ihnen
Bewegungen suggeriert, die nicht in innerlichem
Zusammenhang mit ihnen stehen.

Wir nähern uns jetzt der Periode, wo der
Aufbau der Musik für innere Tänze sich von
diesen loslöst. Ähnlich wie es mit unseren
Kostümen der Fall ist, die in sich kein eigenes
Leben haben, sondern nur Wirklichkeit ge-
wordene Hüllen sind.

Diese neue Musik, die auf einem Zusammen-
klingen bestimmter Instrumente und besonderer
Rhythmen beruht, wird genau die Rolle einneh-
men, die ihr von unseren Tänzen bestimmt wird.

Dies wird die letzte Etappe sein, bevor man
zu einem Tanz ohne Musik gelangt.....a s
 
Annotationen