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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Wolfradt, Willi: Das Gegenwartsproblem des Stillebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0282

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Das Gegenwartsproblem des Stillebens,

philipp franck-berlin.

gemälde »maitag«

haben. Aber dieser Widerspruch besteht keines-
wegs. Der Wunsch, nicht lediglich das Ober-
flächengesicht der Dinge, sondern ihren Gestalt-
kern, ihre dinghafte Körperlichkeit und eben
damit ihre tiefere Natur im Bilde zu erfassen,
— und dementsprechend nicht nur ihre Ver-
sammlung im Nebeneinander, ihren losen Zu-
sammentritt, sondern die gesetzhafte Ordnung
ihrer Beziehungen, die Magie des Ensembles
darzustellen, dokumentiert .sich in diesem For-
menwandel. Der Entwicklungsprozeß ist nur
vorübergehend ins Extrem der Verabsolutierung
des Funktionalen verfallen, um nunmehr aus dem
kubistischen Zwischenfall mit geschärftem Blick
für das Leben der Gefeige, der Formrelationen,
des Baulichen zurüi kzukehreu ins Reich der
konkreten Gegenstände. Nun wird Bild-
logik (und dies i-t die jüngste Wendung) be-
tontermaßen als Logik der dargestellten
Dinge selbst, als Formulierung ihres heim-
lichen Verlöbnisses, als Veranschaulichung ihrer

Affinität entwickelt; und es ergibt sich die be-
sondere Aufgabe: gegenständlich klar, ausführ-
lich, markant und sachlich-kühl zu sein, um ge-
rade aus der objektiven Form der Bestandteile
das Baumaterial für die Komposition des Stil-
lebens zu gewinnen, das in seinem „nature
morte"- Charakter als solchem nun auch wie-
der gesichert erscheint. Denn [-o argumen-
tiert die neue Stilgesinnung) damit die Bezie-
hungen der Formen ein Leben sind und nicht
als bloßes Kalkül wirken, müssen sie abgeleitet
erscheinen aus der Daseinsgestalt der Dinge,
als Ausdruck der in diesen angelegten Lebens-
kräfte, als Ausführung ihrer eigenen Verbin-
dungswünsche. Die Komposition von mit präg-
nanter Sachlreue wiederholten Dingen hat die
besondere „Natürlichkeit", daß eben erst sie
ein Symbol wird dafür, wie sich aus den ein-
zelnen Organismen der Gesamtorganis-
mus der Natur aufbaut, welche ja wesent-
lich Verbindung ist.....dr. willi wolfkadt.
 
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