S. II. TAKCBKR-ARI' ZI KU II.
IIANI)-\\ I'1-.I-.KKI
ARBEITEN VON SOPHIE H. TAEUBER-ARP.
Quadrate reinlich aufgeschichtet, Rechtecke
in symmetrischer Verspannung, die Fläche
in gleichwertige Farbspiegel aufgeteilt, die sich
zu starken Harmonien binden: dies ist das klare
Grundgefüge der Stickereien und der Web-
arbeiten Sophie Taeuber-Arps. In diesem gleich
den Steinen einer Mauer festgefügten Grund
ereignen sich in rhythmisch reicbgegliederter
Bewegung Formen- und Farbenspiele von ver-
wöhntem Reiz: Leuchtende Kreise schimmern
wie Mandorlenschilde. Schwibbögen spannen
ihre Irisbahnen als Brücken Wölbungen von Form
zu Form: Gestraffte Dreiecke versprießen das
Gebilde und breite Zackensäume treiben es
zu einer wellenhaften Fortbewegung. In einem
steten Widerspiel von breiter Ausdehnung und
zierlicher Verschlankung entfaltet sich die Sil-
houettenform der Muster: Aus träge sich ent-
rollenden Voluten zweigen sich in elastischen
Verästelungen Arabesken ab — reizvolle Aus-
gleichung gedrungener Wucht und ranker Reg-
samkeit, oder es werden künstliche Vergit-
terungen hergestellt, welche den hellen Wider-
schein des Grundes wie in einem Filter fangen.
Dies Wechselspiel starrer Gebundenheit und
frei spielender Rhythmik zeigt sich auch in der
Farbenwahl der Künstlerin. Denn da und dort
wird innerhalb der gleichwertigen Farbenquader
ein unerwartet fremder Farbwert ausgespielt,
der wie ein plötzlich aufgetanes Fenster wirkt
und als kontradiktorische Pointe es erwirkt, daß
die einhellige Harmonik des Gesamtgefüges nicht
als schematisch reguliert, sondern als ein le-
bendig variabler Organismus gelte.
In manchen Elementen ihrer Formensprache
stehen die Werke Sophie Taeuber-Arps der
klaren Rationalität konstruktivistischer Gestal-
tung nahe, wie sie in konsequenter Schärfe von
Hans Arp, von El Lissitzky und Piet Mondrian
vertreten wird. Als Reaktion auf all die kory-
bantische Schwarmgeisterei expressionistischer
Bekenntniskunst hat sich im Schaffen dieser
Künstler eine sehr reinliche Ernüchterung und
praktische Versachlichung vollzogen: die not-
wendige Rückbesinnung auf die Elementar-
grammatik stilgesetzlicher Gestaltung, was
ihren planimetrisch streng gefügten Arbeiten
die Eignung gibt, sich vollorganisch in den
Rahmen der neuen Bauform einzufügen. —
In solchem Sinn sind auch die Werke Sophie
XXVII. August 1924. V
IIANI)-\\ I'1-.I-.KKI
ARBEITEN VON SOPHIE H. TAEUBER-ARP.
Quadrate reinlich aufgeschichtet, Rechtecke
in symmetrischer Verspannung, die Fläche
in gleichwertige Farbspiegel aufgeteilt, die sich
zu starken Harmonien binden: dies ist das klare
Grundgefüge der Stickereien und der Web-
arbeiten Sophie Taeuber-Arps. In diesem gleich
den Steinen einer Mauer festgefügten Grund
ereignen sich in rhythmisch reicbgegliederter
Bewegung Formen- und Farbenspiele von ver-
wöhntem Reiz: Leuchtende Kreise schimmern
wie Mandorlenschilde. Schwibbögen spannen
ihre Irisbahnen als Brücken Wölbungen von Form
zu Form: Gestraffte Dreiecke versprießen das
Gebilde und breite Zackensäume treiben es
zu einer wellenhaften Fortbewegung. In einem
steten Widerspiel von breiter Ausdehnung und
zierlicher Verschlankung entfaltet sich die Sil-
houettenform der Muster: Aus träge sich ent-
rollenden Voluten zweigen sich in elastischen
Verästelungen Arabesken ab — reizvolle Aus-
gleichung gedrungener Wucht und ranker Reg-
samkeit, oder es werden künstliche Vergit-
terungen hergestellt, welche den hellen Wider-
schein des Grundes wie in einem Filter fangen.
Dies Wechselspiel starrer Gebundenheit und
frei spielender Rhythmik zeigt sich auch in der
Farbenwahl der Künstlerin. Denn da und dort
wird innerhalb der gleichwertigen Farbenquader
ein unerwartet fremder Farbwert ausgespielt,
der wie ein plötzlich aufgetanes Fenster wirkt
und als kontradiktorische Pointe es erwirkt, daß
die einhellige Harmonik des Gesamtgefüges nicht
als schematisch reguliert, sondern als ein le-
bendig variabler Organismus gelte.
In manchen Elementen ihrer Formensprache
stehen die Werke Sophie Taeuber-Arps der
klaren Rationalität konstruktivistischer Gestal-
tung nahe, wie sie in konsequenter Schärfe von
Hans Arp, von El Lissitzky und Piet Mondrian
vertreten wird. Als Reaktion auf all die kory-
bantische Schwarmgeisterei expressionistischer
Bekenntniskunst hat sich im Schaffen dieser
Künstler eine sehr reinliche Ernüchterung und
praktische Versachlichung vollzogen: die not-
wendige Rückbesinnung auf die Elementar-
grammatik stilgesetzlicher Gestaltung, was
ihren planimetrisch streng gefügten Arbeiten
die Eignung gibt, sich vollorganisch in den
Rahmen der neuen Bauform einzufügen. —
In solchem Sinn sind auch die Werke Sophie
XXVII. August 1924. V