DOI article:
R., H.: Wiedergabe des Wirklichen
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0338
Wiedergabe des Wirklichen.
HUGO VON HAHKRM.VNN. MUKCHF.NBR SECESSION. GEMÄLDE »LIEGENDER AKT«
Und warum setze ich bei den andern Lust vor-
aus, wenn ich ihnen das Nachgeschriebene und
Nachgezeichnete zeige? Sie lachen und freuen
sich bei dessen Anblick, und ich freue mich an
ihrer Freude und aufs neue an meiner Arbeit.
★
Gestern saß ich mit einem Schauspieler bei-
sammen. Es ist nötig, zu sagen, daß es ein
moderner, durch Unruh, Kornfeld, Kaiser,
Bronnen hindurchgegangener Schauspieler war.
„Denken Sie", sagte er plötzlich, „wir Komö-
dianten, wenn wir als Zuschauer im Theater
sitzen, sehen am liebsten Stücke mit einem
recht munteren, belebten Szenenaufbau, der
recht lebendig und eindrucksam wirkliche Welt
wiedergibt oder vor die Illusion ruft. Wir freuen
uns an recht farbigen Bildern, hübschen Ku-
lissenlandschaften, wo es Raum und Räume
gibt, anmutige Verlockungen und Phantasie-
spiele aller Art. Ist das bei einem expressio-
nistischen Schauspieler, der selber so oft zwi-
schen Gardinen oder sonstigen Künsten der
modernen Szene steht, nicht sonderbar?"
„Nein", sagte ich, „denn es geht mir geradeso
oder ähnlich. Ich will im Bühnenbilde auch
Wirkliches sehen oder mich ins Abbild wie in
etwas Wirkliches hineindenken können. Der
Bühnennaturalismus ist albern, denn nicht Na-
turalismus, sondern Welt will ich haben. Die
Welt ist unser großes unerschöpfliches Spiel-
zeug. Sind wir nicht alle Kinder vor der Kunst
und in der Kunst? Wir sprechen ernsthaft mit
dem Wirklichen — das ist Kunst. Und gerade
weil die Kunst Spiel ist, muß sie das Allerern-
steste und Wirklichste zum Spielzeug haben."
★
Nach dem Expressionismus handelt es sich
darum, die Wirklichkeit für den Menschen zu-
rückzugewinnen. Das was ist, müssen wir
in der Kunst zurückgewinnen. Das was ist,
außer uns und ohne uns. Welt und Wirklich-
keit jenseits des „Relativismus" ist damit ge-
meint, die Sonne, die nicht wir erschaffen durch
unser bißchen erbärmliches Leben, sondern die
ohne unsre Hilfe glänzt und wärmt und um uns
alles Leben schafft und erhält........ b. s.
HUGO VON HAHKRM.VNN. MUKCHF.NBR SECESSION. GEMÄLDE »LIEGENDER AKT«
Und warum setze ich bei den andern Lust vor-
aus, wenn ich ihnen das Nachgeschriebene und
Nachgezeichnete zeige? Sie lachen und freuen
sich bei dessen Anblick, und ich freue mich an
ihrer Freude und aufs neue an meiner Arbeit.
★
Gestern saß ich mit einem Schauspieler bei-
sammen. Es ist nötig, zu sagen, daß es ein
moderner, durch Unruh, Kornfeld, Kaiser,
Bronnen hindurchgegangener Schauspieler war.
„Denken Sie", sagte er plötzlich, „wir Komö-
dianten, wenn wir als Zuschauer im Theater
sitzen, sehen am liebsten Stücke mit einem
recht munteren, belebten Szenenaufbau, der
recht lebendig und eindrucksam wirkliche Welt
wiedergibt oder vor die Illusion ruft. Wir freuen
uns an recht farbigen Bildern, hübschen Ku-
lissenlandschaften, wo es Raum und Räume
gibt, anmutige Verlockungen und Phantasie-
spiele aller Art. Ist das bei einem expressio-
nistischen Schauspieler, der selber so oft zwi-
schen Gardinen oder sonstigen Künsten der
modernen Szene steht, nicht sonderbar?"
„Nein", sagte ich, „denn es geht mir geradeso
oder ähnlich. Ich will im Bühnenbilde auch
Wirkliches sehen oder mich ins Abbild wie in
etwas Wirkliches hineindenken können. Der
Bühnennaturalismus ist albern, denn nicht Na-
turalismus, sondern Welt will ich haben. Die
Welt ist unser großes unerschöpfliches Spiel-
zeug. Sind wir nicht alle Kinder vor der Kunst
und in der Kunst? Wir sprechen ernsthaft mit
dem Wirklichen — das ist Kunst. Und gerade
weil die Kunst Spiel ist, muß sie das Allerern-
steste und Wirklichste zum Spielzeug haben."
★
Nach dem Expressionismus handelt es sich
darum, die Wirklichkeit für den Menschen zu-
rückzugewinnen. Das was ist, müssen wir
in der Kunst zurückgewinnen. Das was ist,
außer uns und ohne uns. Welt und Wirklich-
keit jenseits des „Relativismus" ist damit ge-
meint, die Sonne, die nicht wir erschaffen durch
unser bißchen erbärmliches Leben, sondern die
ohne unsre Hilfe glänzt und wärmt und um uns
alles Leben schafft und erhält........ b. s.