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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 54.1924

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Geron, Heinrich: Das Wohnhaus als Zweckform
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https://doi.org/10.11588/diglit.8536#0354

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Das Wohnhaus als Zweckform.

Zweifellos, eine in erster Linie auf das Schön-
heitliche der Außenform hintendierende Archi-
tektur-Gesinnung ist verwerflich. Gerade in
diesen Blättern ist so oft die Losung: „Von-
Innen-Bauen!" ausgegeben worden. So wird
es sich auch lohnend erweisen, diese goldenen
Vokabel einmal in ein „Sieh-nicht-von-außen-
an!" umzuprägen. Man schätze zuförderst ein
Haus nach seinem wohnlichen Organismus, —
spüre den Bauzwecken nach, — prüfe auf
praktischen Wert hin, — träume nicht Wind
und Wetter-Gegiebel in eine Gegend, wo man
sich hauptsächlich gegen Sonne zu schützen
hat, — verlange nicht Veranden und Balkone
nach einer Richtung, aus der ständig der Wind
weht, — schwärme nicht für hallenhaft offene,
luftige Architektur in einem Klima, das ge-
schlossene Bauweisen erfordert, — wünsche sich
da nicht große Fenster, wo sie ein Zimmer un-
heizbar machen können, und dort kleine, wo sie
angemessene Beleuchtung und ausreichende Be-
lüftung der Wohnung verunmöglichen, — und
dies alles bloß, weil es von Außen gesehen
„schön" scheinen möchle. In Urzeiten, in die

das Licht der Menschheitsgeschichte nicht ein-
mal dämmert, bauten sich die Primitiven ihre
Hausuogen, einfach, wie sie ihren Bedürfnissen
entsprachen: Schirm gegen die Unbill des Wet-
ters; Schutz gegen reißendes und schleichendes
Getier; Abgrenzung gegen die chaotische, alles
chaotisierende Natur; Erhaltung des am ersten
dienstbar gemachten Elements, des Feuers.
Und wenn auch Jahrtausende Kultur und Zi-
vilisation das Angesicht von Welt und Leben
verändert und gebildet, die Bedürfnisse des
Menschen bereichert und verfeinert haben, die
eigentliche Not ist dieselbe geblieben. Gute
Architektur ist organisch harmonische Zweck-
form; das hat sich nie geändert, wird sich nie
ändern, es sei denn, daß wir körperlose Geister
oder wahrhafte Engel würden. Bis dahin ist
wohl noch lange Zeit. Wir sollten diese Zeit
dazu verwenden, unser Dichten und Trachten
in einen guten Einklang zur Welt zu bringen;
denn wenn unsere Zwecke schön, edel und
lauter ins Ganze hineinpassen, dann ist das
Zweckförmige sicher das Schönste und Beste

Zugleich............. HEINRICH GERON.
 
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