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Etwa 1100 — 1120 entwickelte sich westlich der Siedlung Gutingi und südwestlich
des Königshofes an dem günstigen Leineübergang eine Siedlung mit einem Stra-
ßenmarkt; sie lag von anderen Handelsorten mit Durchgangsverkehr (Allendorf,
Münden, Duderstadt, Northeim) rund einen Tagesmarsch entfernt.
Mit der Ausweitung des Osthandels steigerte sich die Bedeutung solcher Markt-
siedlungen an den Verkehrswegen östlich der Leine. Außerdem begünstigten ver-
mutlich die Auseinandersetzungen der Welfen mit den Staufern die Entwicklung
des Marktes in Göttingen. Es ist anzunehmen, daß Heinrich der Löwe, besonders
nach seiner Entmachtung 1180, und nachdem das Gebiet zu seinem Eigengut
geworden war, den Handelsplatz zwischen dem alten Dorf Gutingi mit der von
Mainz gegründeten Albanikirche und der Pfalz Grona intensiv förderte. Zwischen
1200 und 1229 erhielt die Marktsiedlung Göttingen städtische Privilegien.
Expansionsbestrebungen und Territorialpolitik der Stadt Göttingen
Mitte des 13. Jh. umgab sich dieStadt mit einer ersten Befestigung. Dem Rat gelang
es, im Laufe des 13. und 14. Jh. den verschiedenen Landesherren, deren Macht ein-
mal durch die Erbteilunen und Spaltungen des welfischen Hauses, zum anderen
durch den chronischen Geldmangel eingeschränkt war, verschiedene Rechte
abzutrotzen oder als Pfand zu erhalten. Albrecht der Feiste reagierte auf den
Machtzuwachs der Stadt mit verschiedenen Maßnahmen, z. B. gründete er 1290
vor der Altstadt seine Neustadt, die sein Sohn Otto der Milde bereits 1319 an Göttin-
gen abgeben mußte. Etwa 100 Jahre hielt sich die 1292 zum ersten Mal erwähnte
Burg „Balruz”, jener ehemalige, von Albrecht zur Stadtburg ausgebaute Königshof;
doch 1387 vertrieben die Göttinger ihren Stadt- und Landesherrn Otto den Qua-
den aus der Stadt und schleiften die Burg. Sie nötigten ihm außerdem einen Vertrag
ab, nach dem sie und die ihnen gehörenden Höfe in den umliegenden Dörfern frei
waren bzw. nur sehr gering belastet wurden.
DieStadt duldete in ihrem Weichbild keine Gewalten, die ihren Handel stören konn-
ten. Ihr Hauptprodukt waren Tuche von besonderer Qualität. 1351 trat sie der Hanse
bei, der sie bis 1571 angehörte. Durch den Erwerb des Dorfes und der Gemarkung
Borchgrona (1371/73,1387 zerstört) und der Dörfer Roringen, Omborn (1380) und
Herberhausen (1382), derErlangung derBurg Grone und derzugehörigen Güter als
Reichslehen (1387) und von Rechten an Geismar erweiterte sie ihre Einflußsphäre
beträchtlich.
Ab 1380 sicherte die Stadt ihr Vorfeld durch die Anlage von Landwehren, zu deren
Bau und Unterhalt sie die Dörfer heranzog. Von den dazu gehörigen Warttürmen
sind einige erhalten, z. B. die Diemarder Warte (vgl. Band 5.2, Landkreis Göttingen),
die Nikolausberger Warte, die Roringer Warte. Mit dem Erstarken der Landesherr-
schaft schwand allerdings der Wert der Landwehren, die im 16. und 17. Jh. ihre ehe-
malige Bedeutung völlig einbüßten.
Zu Beginn des 15. Jh. hatten Göttinger Bürger den größten Teil des Grundbesitzes
in diesen umliegenden Dörfern in Händen. Der Rat strebte zusätzlich zum Grund-
besitz auch Gericht und Vogtei zu erhalten. Nicht ganz geklärte Rechte nahm er
sich im 14. und 15. Jh. an den vier „Leinedörfern” Rosdorf, Grone, Holtensen und
Groß-Ellershausen; in Geismarwaren ihm Gericht und Vogtei immerwiederneu bis
1537 verpfändet; Roringen und Herberhausen waren sogenannte Stadtdörfer
mit echter städtischer Herrschaft. So entstand neben dem alten Gaugericht auf
dem Leineberg das Stadtgericht in Göttingen. Die Stadt befand sich auf dem Höhe-
punkt ihrer Macht.
Die Entwicklung vom 16. Jh. bis zu den Eingemeindungen im 20. Jh.
Im 16. Jh. kam es in Göttingen zu Auseinandersetzungen zwischen Patriziern und
Gilden, die Amtsbesetzung und Finanzgebahren des Rates monierten. Ein anderer
Punkt war die Religion. In Folge der Reformation stellte man die Einigkeit wieder
her, doch der Niedergang der Stadt begann. Die häufigen Fehden der Vergangen-
heit, Pestjahre, der rückläufige Handel und die hohen Strafzahlungen an das Reich
für die Zugehörigkeit zum Schmalkaldischen Bund zeitigten ihre negativen Folgen.
Gleichzeitig erstarkte die Landesherrschaft. Schon im 15. Jh. hatte sie ihr Territo-
rium in Ämter gegliedert: zum Amt Harste gehörten z. B. die Dörfer Groß-Ellershau-
sen, Esebeck, Grone, Hetjershausen, Holtensen, Knutbühren, Nikolausberg,
Weende; Elliehausen unterstanddem Amt Leineberg. 1582 wurde der Herrschaft in
einem Rezeß die Obergerichtsbarkeit überwiesen; Göttingen verblieben nur noch

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